„Wie hat sich unsere Stadt verändert!”

Schötmar in alten Ansichten

Interessenten können das Heft zum Preis von 5 € über den örtlichen Buchhandel erwerben. Die Auflage der Veröffentlichung, die das nunmehr 5. Heft der Reihe „Bad Salzufler Haus- und Hofgeschichten” darstellt, beträgt 1.000 Stück.

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Im Zuge einer im Jahre 1231 vorgenommenen Neuordnung der Diözese Paderborn wurde eine Urkunde ausgefertigt, in der erstmals in der uns erhaltenen und bekannten Überlieferung der Ort Schötmar erwähnt wird. Inhaltlich geht es in dem Schriftstück um die Zugehörigkeit der Pfarre Scutemere zum Archidiakonatsbezirk Lemgo, woraus man schließen kann, dass der Ort seinerzeit bereits Mittelpunkt eines größeren Kirchspiels war. Die dortige Kirche, die dem Heiligen Kilian geweiht war, existierte aber wohl schon in karolingischer Zeit, d.h. im 9. Jahrhundert.

Folglich kann Schötmar, das dann trotz seiner frühen Bedeutung als Amtssitz und Standort bedeutender Industriebetriebe erst 1921 Stadtrechte erhielt und 1969 unter Aufgabe seiner Selbständigkeit Teil der Großgemeinde Bad Salzuflen wurde, im Jahre 2006 auf den 775. Jahrestag seiner Ersterwähnung – nicht seiner Gründung! – zurückblicken.

Zum Auftakt einer Vortragsreihe „775 Jahre Ersterwähnung Schötmars”, die von der Ev.-ref. Kirchengemeinde Schötmar und dem Heimat- und Verschönerungsverein Bad Salzuflen e.V. initiiert wurde, zeigte Dr. Stefan Wiesekopsieker am 8. Februar 2006 in der Kilianskirche im Rahmen eines Diavortrages alte Ansichtskarten des Ortes. Auf Grund des großen Interesses an diesen historischen Aufnahmen entschloss sich die Redaktion des Gemeindeblattes „Evangelisch in Schötmar” (EiS), ausgewählte Ansichten nebst Erläuterungen in loser Folge zum Abdruck zu bringen. Die bislang erschienenen Serienteile sind nachfolgend wiedergegeben:

Teil 1

Wo sich heute das den Marktplatz dominierende Gebäude der Volksbank befindet, stand bis 1981 das frühere Rathaus der Stadt Schötmar, ein nicht minder imposantes Bauwerk, das zunächst ganz anderen als Verwaltungszwecken diente.

Das Haus (alte Nr. 39 / zuletzt Schlossstr. 8) ließ 1827 der Kaufmann Clamor Adolph Hülsemann errichten, um hierher sein schon vorher bestehendes Geschäft zu verlegen, in dem er sowohl Lebensmittel als auch Kleidung und Manufakturwaren aller Art feilbot.

1847 verheiratete sich Hülsemanns Tochter Emilie mit dem Lemgoer August Wilhelm Brüggemann, der seinem Schwiegervater in der Geschäftsführung nachfolgte und sich alsbald auf den Handel mit Textilien spezialisierte, weshalb man nun als „A.W. Brüggemann – Tuch-, Manufactur- und Modewaaren-Handlung” firmierte.

In den 1880er Jahren – nachdem der Sohn August Brüggemann die Geschäftsleitung übernommen hatte – wurde der Handel jedoch um eine Gewinn versprechende Eisenwarenabteilung erweitert, in der vor allem moderne Öfen und „Hildesheimer Sparherde”, wie einem Briefkopf des Jahres 1886 zu entnehmen ist, aber auch schmiedeeiserne Grabkreuze angeboten wurden. Im ganzen Amt Schötmar war das Brüggemann’sche Kaufhaus auf Grund seines soliden Warenangebots und seiner großzügigen Rabatt-Gewährung gleichermaßen bekannt und geschätzt.

Der Inhaber August Brüggemann gehörte lange Zeit zu den angesehensten Bürgern des Ortes, der sich in der Verwaltung der Gemeinde, aber auch im Vorstand des Bürgervereins ehrenamtlich engagierte. Außerdem fungierte er viele Jahre als Rendant der 1902 gegründeten Amtssparkasse, die auch in seinem Haus ihr Geschäftslokal hatte. Als solcher beging er jedoch Unterschlagungen größten Ausmaßes, die im Mai 1909 entdeckt wurden und zu seiner umgehenden Verhaftung führten. Im Salzufler Gefängnis, wohin er verbracht worden war, beging er Selbstmord.

Aus der Konkursmasse des Brüggemann’schen Unternehmens, das sogleich zusammenbrach, erwarb die Dorfgemeinde Schötmar für 38.000 M das am Markt gelegene Geschäftshaus, das sie zum Sitz der Gemeindeverwaltung umbaute. Voller Stolz wurde sogleich die Beschilderung „Rathaus” angebracht, wenngleich der Ort doch gar keine Stadtrechte besaß. Noch vor dem Ersten Weltkrieg eröffnete ein Lokal, der „Ratskeller”, dessen Wirt die hier abgebildete Ansichtskarte herstellen ließ.

Nach der Erhebung Schötmars zur Stadt im Jahre 1921 wurde das Gebäude im Inneren wie im Äußeren grundlegend saniert. Während des Zweiten Weltkrieges setzte man dem Rathaus dann einen Turm auf, die dazugehörige Uhr wurde jedoch erst 1949 montiert. Seinerzeit entstand im Zuge einer weiteren Renovierung im Obergeschoss ein 70 qm großer Ratssaal. Der beim Abriss geborgene Rathausturm fand hinter dem neuen Volksbankgebäude auf einer Grünfläche eine neue Bleibe, die Uhr befindet sich im Bad Salzufler Stadt- und Bädermuseum. An ehemalige Rathaus selbst erinnern heute nur historische Aufnahmen – wie eben die hier gezeigte Ansichtskarte.

Dr. Stefan Wiesekopsieker

Zuerst erschienen in: Evangelisch in Schötmar, EiS, Informationsblatt aus den ev.-ref. und ev.-luth. Kirchengemeinden, Nr. 161 (3/2006-4/2006), S. 10-11.

Teil 2

Seit 1835 ist für Schötmar eine „Postexpedition” (Postamt) nachweisbar, die mehrfach ihren Standort änderte, was nicht zuletzt auf die ständige Vergrößerung des Postverkehrs und die damit in Zusammenhang stehende Ausweitung der Dienste zurückzuführen ist.

Ein neues Kapitel im Schötmaraner Postwesen wurde im Jahre 1895 aufgeschlagen, als die seinerzeit zuständige Kaiserliche Ober-Postdirektion Minden ein überaus großzügiges eigenes Postgebäude für Schötmar bauen ließ. Nach Abriss eines Fachwerkhauses aus dem Jahre 1652 entstand in direkter Nachbarschaft zum Brüggemann’schen Kaufhaus, dem späteren Rathaus, und dem Schötmar’schen Krug („Korf”), der kurz zuvor ebenfalls neu erbaut worden war und dabei sein noch heute anzutreffendes Gesicht erhielt, ein weiteres den Marktplatz prägendes Bauwerk. Für über hundert Jahre – bis zum Oktober 1999 – sollte das Gebäude (heute Schlossstraße 10) der Sitz der Schötmaraner Post bleiben, wobei es mehrfach den jeweiligen Bedürfnissen angepasst werden musste.

Erstmals wurde das Postamt 1907/08 in Richtung Schlossstraße erweitert; gelegentlich dieses insgesamt gelungenen Umbaus kam es auch zu einer Verlegung des Eingangs. In späteren Jahren erwarb die Post weitere angrenzende Gebäude, um abermals Anbauten bzw. einen geräumigen Posthof zu schaffen. Insgesamt konnte das Bruchsteingebäude aber sein Äußeres (und auch Teile des Inneren!) über die Jahrzehnte bewahren, weshalb es 1988 in die Liste der Baudenkmäler der Stadt Bad Salzuflen aufgenommen wurde.

Für die erste Erweiterung des Postgebäudes hatte der Kaufmann Ferdinand Seiff 1906 sein aus dem Jahre 1590 stammendes Haus auf Abbruch verkauft; offenbar war das Angebot der Postbehörde mehr als lukrativ gewesen, denn Ferdinand Seiff war nach dem Verkauf in der Lage, einen repräsentativen Neubau ausführen zu lassen. So entstand schräg gegenüber seinem bisherigen Anwesen ein mehrstöckiges Wohn- und Geschäftshaus (heute Begastraße 2), für das der renommierte Lagenser Architekt Gustav Meßmann den Entwurf geliefert hatte. Nachdem die Familie Seiff in den 1920er Jahren ihren Handel mit Haushaltswaren, Porzellan und Sämereien aufgegeben hatte, eröffnete in den Geschäftsräumen die Lippische Landesbank eine Filiale; seit vielen Jahrzehnten befindet sich jetzt hier eine Apotheke.

Zwischen den beiden noch immer markanten Gebäuden am Schötmaraner Marktplatz zeigt die heute vorgestellte Ansichtskarte auch ein Gefährt der 1912 gegründeten Schötmarschen Straßenbahn-GmbH. Diese betrieb einige wenige Jahre eine Pferdebahn, die Schötmar mit Salzuflen verband. In der Nachbarstadt sorgte das Pendant, die Salzufler Straßenbahn-GmbH, seit 1909 für eine zügige Verbindung zwischen Bahnhof und Kurgebiet, weshalb sie bis 1926 (zumindest zeitweise) mit einer gewissen Rentabilität betrieben werden konnte. In Schötmar endete die Strecke am Marktplatz – der abgebildete Wagen befindet sich also offenbar nach einer Wende am Marktplatz auf dem Weg in die Salzestadt; eine geplante Verlängerung der Strecke zum Bahnhof Schötmar wurde nicht mehr realisiert. Bald nach Beginn des Ersten Weltkrieges wurde der Fahrbetrieb der Schötmaraner Pferdebahn eingestellt, die private Unternehmung wenig später aufgelöst.

Dr. Stefan Wiesekopsieker

Zuerst erschienen in: Evangelisch in Schötmar, EiS, Informationsblatt aus den ev.-ref. und ev.-luth. Kirchengemeinden, Nr. 162 (5/2006-7/2006), S. 6-7.

Teil 3

Die westliche Seite des Marktplatzes – die Abbildung zeigt die Häuser Begastraße 1-7 im Februar 1938 – dürfte zu den am frühesten besiedelten Teilen Schötmars zählen. Bei der 1766 durch die Lippische Landesregierung angeordnete Nummerierung aller 81 (!) vorhandenen Wohnplätze waren die abgebildeten Hausstätten bereits vorhanden und erhielten Nummern (Begastraße 1: 31, Begastraße 3: 30, Begastraße 5/7: 29), die bis ins späte 19. Jahrhundert ihre Gültigkeit behielten. Erst dann ging man auch in Schötmar der Übersichtlichkeit halber zu Straßen- und Hausnummern-Bezeichnungen über.

Für die industriegeschichtliche Entwicklung Schötmars ist aus dem Ensemble insbesondere das imposante Fachwerkhaus Begastraße 3 aus dem Jahre 1758/59 von Interesse, stand doch hier die „Wiege” der über viele Jahrzehnte florierenden örtlichen Keksindustrie. Alles begann im Jahre 1794, als Carl Ludwig Pecher eben hier eine Bäckerei eröffnete. Das Geschäft blieb in Familienbesitz, und sein Enkel Carl Pecher begann vermutlich bereits in den frühen 1870er Jahren in kleinem Umfang oder saisonal mit der Herstellung von Keksen.

Eine entscheidende Erweiterung erfuhr die Keks-Produktion wohl erst 1875, als Carl Pecher einen Teilhaber in das Geschäft aufnahm, und zwar Carl Mensch, der zuvor bei der Schötmaraner Zigarrenfabrik Wolff als Handlungsgehilfe tätig gewesen war. Am 20. April 1875 erklärten beide beim Fürstlichen Verwaltungsamt Schötmar: „Wir haben uns zu einer offenen Handelsgesellschaft vereinigt, um eine Kakes- und Biscuitfabrik gemeinschaftlich zu betreiben.” Das weiterhin im Pecher’schen Hause ansässige Unternehmen firmierte fortan unter dem Namen “Pecher & Mensch”.

Bereits nach knapp zwei Jahren schied Carl Mensch wieder aus der Firma aus, um sich an einer anderen Schötmaraner Keksfabrik zu beteiligen, woraufhin Carl Pecher seine Firma in „C. Pecher” umbenannte. Bäckerei und Keksherstellung liefen noch einige Jahre nebeneinander, bis Carl Pecher sich entschloss, letztere im größeren Rahmen zu betreiben: Ende 1881 verlegte er die Fabrikation nach Detmold, wo er ein wesentlich bedeutenderes Unternehmen aufbaute, das noch bis Mitte der 1970er Jahre an der heutigen Lemgoer Straße bestand.

Das Haus Begastraße 3 erwarb im März 1882 Friedrich Siekmann, der dort eine Schlachterei eröffnete, jedoch alsbald Konkurs machte. Nach weiteren Besitzerwechseln übernahm 1898 Wilhelm Korte aus Kachtenhausen die Besitzung, der die Schlachterei wieder aufleben ließ und um einen fabrikmäßigen Herstellungsbetrieb von Wurst, die er auch versandte, erweiterte; 1914 avancierte er sogar zum „Fürstlich Lippischen Hoflieferanten”. Im öffentlichen Leben war er vielfältig tätig, u.a. als langjähriges Mitglied des Kirchenvorstandes, Vorsitzender des Landwehrvereins sowie als Stadtverordneter und lippischer Landtagsabgeordneter (1916-1918).

Nach Wilhelm Kortes Tod (1931) und der Aufgabe des Betriebes ging das Anwesen an seine Witwe und danach an den einzigen Sohn, den Sparkassenangestellten Wolfgang Korte, über, der das Fachwerkhaus 1938 abbrechen und an derselben Stelle einen modernen Neubau nach dem Entwurf des Schötmaraner Architekten Herbert Wolff errichten ließ.

Auch das rechts daneben liegende Haus Begastraße 5, das erst 1903 die eigene Stättennummer 344 erhielt und in den 1970er Jahren abgerissen wurde, um für Niers Grill- und Speiserestaurant Platz zu schaffen, steht in Verbindung zur Schötmaraner Industrie. Im Hinterhaus befand sich nämlich über zwei Jahrzehnte eine kleine Zigarrenfabrik, die 1903 von dem Tabakhändler August Linnemann gegründet worden war, der allerdings schon 1913 verstarb. Seine Witwe Mathilde Linnemann führte die Fabrik bis 1933 weiter; danach betrieb sie noch viele Jahre in diesem Haus ein Tabakwarengeschäft.

Dr. Stefan Wiesekopsieker

Zuerst erschienen in: Evangelisch in Schötmar, EiS, Informationsblatt aus den ev.-ref. und ev.-luth. Kirchengemeinden, Nr. 163 (8/2006-10/2006), S. 6-7.

Teil 4

Im Jahre 1873 ließ sich der aus Salzuflen stammende Bäckermeister Friedrich Wilhelm Witte (1835-1882) in Schötmar nieder und eröffnete eine Bäckerei nebst kleinem Kolonialwarenhandel. Nach seinem frühen Tod wurden beide Geschäftszweige zunächst von dem zweiten Mann seiner Frau, Heinrich Friedrich Wilhelm Wiethölter (1849-1898), und später von Wilhelm Witte (1874-1956), dem Sohn des Betriebsgründers, weitergeführt.

Das Geschäftslokal befand sich in einem vom Rittergut Schötmar gepachteten Haus in der Schlossstraße (heute Nr. 15), das die Familie Wiethölter-Witte jedoch 1886 kaufte. In eben diesem Jahr ließ man auch auf dem benachbarten Grundstück (heute Schlossstraße 13) einen Neubau errichten; Kauf und Neubau lassen auf eine insgesamt florierende Geschäftstätigkeit schließen. Während Wilhelm Witte in dem neuen Haus eine Konditorei mit Café etablierte, zu dem später noch ein Weinhandel hinzukam, verblieben im alten Haus die Bäckerei und der Kolonialwarenhandel unter der Leitung seines Stiefvaters, der allerdings nicht einmal 50-jährig 1898 – im gleichen Jahr wie seine Frau – verstarb.

Im März 1901 zerstörte eine Feuersbrunst das Bäckerei-Gebäude, dessen Überreste nur noch abgebrochen werden konnten. Umgehend ließ Wilhelm Witte, der zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 27 Jahre alt war, anstelle des abgebrannten Hauses einen großzügigen Neubau errichten, der sich gänzlich an das benachbarte Haus aus dem Jahre 1886 anpasste. Schötmar erhielt auf diese Weise ein modernes Wohn- und Geschäftshaus in Gestalt eines Doppelhauses, an dessen „Nahtstelle” bis heute ein imposanter Giebel aufragt, in dessen Spitze der Bauherr stolz hat seine Initialen WW anbringen lassen.

Bereits im Jahre 1900 hatte sich Wilhelm Witte mit der aus Hagen gebürtigen Hermine Schröder (1879-1946) verheiratet. Aus der Ehe gingen neun Kinder hervor, von denen nur fünf das Erwachsenenalter erreichten: Paula (1904-1988), Emilie (1905-1985), Hermann (1907-1980), Anita (1911-1992) und Woldemar (1915-1987). Ganz im Sinne der Familientradition erlernten die Jungen das Bäcker- und Konditorhandwerk und führten in der nächsten Generation den Betrieb fort, die Mädchen hingegen waren im Verkauf tätig oder versorgten den Haushalt.

Nach dem plötzlichen Tod Hermann Wittes, der zuletzt als einziger noch das Bäckerhandwerk ausgeübt hatte, wurde die Bäckerei 1980 geschlossen. Dabei spielte auch die Tatsache eine Rolle, dass – bis auf Woldemar Witte, der erst in seinen letzten Lebensjahren heiratete – alle Geschwister unverheiratet und kinderlos geblieben waren und somit keine weitere Generation zur Geschäftsübernahme bereitstand. In den folgenden Jahren führten Anita und Woldemar Witte den 1956 begründeten Textilhandel („Witte Damen-Bekleidung”) noch eine Zeit lang weiter, alle übrigen Gebäudeteile wurden vermietet.

Die komplette Einrichtung der Bäckerei wurde 1984 vom Westfälischen Freilichtmuseum in Detmold übernommen, wo sie noch heute im „Paderborner Dorf” in Betrieb ist. Nach dem Tod Anita Wittes gingen Doppelhaus und Grundstück in den Besitz der Evangelisch-reformierten Kirchengemeinde Schötmar über, die das Anwesen jüngst einer Generalüberholung unterzogen hat.

Neben dem Gebäude, einer eindrucksvollen Familiengrabstätte auf dem Funeke-Friedhof und der noch lebhaften Erinnerung vieler Schötmaraner an Wittes legendären Butterkuchen („Wittes Panzerplatten”) ist auch ein Teil des Nachlasses dieser Schötmaraner Familie erhalten geblieben: Im Frühjahr 1993 sorgte nämlich Elisabeth Wellenbüscher (1922-2002), eine Freundin Anita Wittes, dafür, dass wertvolle Dokumente, wie Urkunden, Rezeptbücher, aber auch Fotos, bei der Räumung des Hauses nicht vernichtet, sondern dem Stadtarchiv Bad Salzuflen zur dauernden Aufbewahrung übergeben wurden und heute als „Nachlass Familie Wilhelm Witte” der Forschung zur Verfügung stehen.

Dr. Stefan Wiesekopsieker

Zuerst erschienen in: Evangelisch in Schötmar, EiS, Informationsblatt aus den ev.-ref. und ev.-luth. Kirchengemeinden, Nr. 164 (11/2006-12/2006), S. 6-7.

Teil 5

Schon für das frühe 17. Jahrhundert lassen sich auf Grund einer Volkszählung zwei in Schötmar ansässige jüdische Familien nachweisen. Wenngleich sich der jüdische Anteil an der Schötmaraner Bevölkerung in den folgenden Jahrhunderten zwar erhöhte, blieben die Juden aber stets eine Minderheit. Selbst im späten 19. Jahrhundert, als ihre Zahl in Schötmar wie im übrigen Lippe ihren Kulminationspunkt erreichte, lag ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung durchschnittlich bei nur 1 bis 2 %. Im Jahre 1900 wies die jüdische Minderheit in Schötmar mit 85 Personen (2,82 %!) ihre höchste Zahl auf, die allerdings wegen vermehrter Abwanderungen in größere Städte nur kurzfristig gehalten werden konnte.

Nichtsdestotrotz entfalteten die Juden auch in Schötmar ein reges kulturelles und religiöses Leben, letzteres vor allem in der wohl schon 1725 gegründeten Synagogengemeinde.

Diese war eng mit der etwas älteren 

Gemeinde in Salzuflen verflochten, u.a. durch die gemeinsame Nutzung und Unterhaltung des bereits 1607 erstmals erwähnten Friedhofes an der Werler Straße sowie die Beschäftigung und Besoldung eines „Cultus-Beamten”. Im Jahre 1858 vereinigten sich beide Gemeinden zur „Synagogen-Gemeinde Uflen-Schötmar”, ohne aber auf ihr Eigenleben und schon gar nicht auf ihre eigene Synagogen und Schulen zu verzichten. Im Gegenteil: 1871 legte die Schötmaraner Gemeinde sogar einen eigenen Friedhof an der heutigen Oerlinghauser Straße an, um Bestattungen fortan nicht mehr auf dem weit entfernten Salzufler Begräbnisplatz vornehmen zu müssen.

Die erste Schötmaraner Synagoge befand sich an der Begastraße in einem rückwärtigen Anbau eines Wohnhauses (heute Nr. 23). Um 1800 dürfte der erste eigenständige Synagogenbau entstanden sein, und zwar an der Aechternstraße („achtern” = hinter der Landstraße), die als Teil der Gemeinheit Lehmkuhle erst in diesen Jahrzehnten nach und nach vollständig bebaut wurde. Der Bau der Synagoge an dieser Stelle (heute Nr. 19) ist wohl auf den Umstand zurückzuführen, dass sich Rittergut und Schloss Schötmar seinerzeit im Besitz eines jüdischen Eigentümers befanden, der die entsprechende Parzelle in einer Größe von 136 qm zur Verfügung stellte.

1888 wurde die alte Synagoge für 75 Mark auf Abbruch verkauft, um einem Neubau Platz zu machen. Den Entwurf dazu lieferte der renommierte Architekt Fritz Seiff (1852-1900), der einige Jahre später auch die Zeichnung für das Salzufler Kurhaus anfertigte. Die neue Synagoge sollte nach der Vorgabe der Baukommission der jüdischen Gemeinde im „orientalischen Stil” errichtet werden, weshalb sie mit einem Kuppeldach von 3,5 m Höhe versehen wurde. Schon am 1. August 1888 konnte die Synagoge, hinter deren quadratischem Andachtsraum sich noch ein separates Schulzimmer befand, eingeweiht werden. Ihr Äußeres – und insbesondere die Kuppel – strahlte das große Selbstbewusstsein der jüdischen Gemeinde aus und dürfte sie zu einem viel bestaunten Bauwerk im kleinstädtischen Schötmar gemacht haben.

Ende der 1920er Jahre musste die imposante Kuppel wegen Baufälligkeit abgebrochen und durch ein Satteldach ersetzt werden, gleichzeitig erhielt das Gebäude einen Giebel, der stilistisch dem Eingangsbereich angepasst wurde. Trotzdem stellte es noch immer einen Kontrast zur übrigen Bebauung des Ortes dar, wie z.B. zum linken Nachbargebäude, dem traufenständigen Fachwerkbau mit dem großen Dielentor aus dem Jahre 1711 (zuletzt Aechternstraße 17, abgerissen in den 1960er Jahren).

Im Zuge der Pogrome gegen die deutschen Juden in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 erlitt auch die Schötmaraner Synagoge erhebliche Zerstörungen. Ausgebrannt bis auf die Umfassungsmauern, wurde sie an einen Spediteur verkauft, der sie zu einem Lagerhaus umbauen wollte, was kriegsbedingt jedoch nicht vollständig ausgeführt wurde. Erst 1974 erfolgte der Umbau zu einem Wohnhaus, an dem noch heute an den beiden Traufseiten Verzierungen des ursprünglichen Gebäudes zu erkennen sind. Eine Gedenktafel sucht man an diesem geschichtsträchtigen Ort jedoch vergebens.

Dr. Stefan Wiesekopsieker

Zuerst erschienen in: Evangelisch in Schötmar, EiS, Informationsblatt aus den ev.-ref. und ev.-luth. Kirchengemeinden, Nr. 165 (12/2006-2/2007), S. 8-9.

Teil 6

Kaum ein Quartier Schötmars hat allein in den letzten 100 Jahren so oft sein Gesicht verändert wie das der Sparkasse an der Schlossstraße. Die dem heutigen Beitrag beigegebene Abbildung zeigt die Bebauung dieses Areals zu Mitte der 1950er Jahre, von der inzwischen rein gar nichts mehr übriggeblieben ist. Interessanterweise wurde aber gerade von hier aus über mehr als anderthalb Jahrhunderte Schötmar und sein Umland „regiert”.

Seit Mitte des 15. Jahrhundert war Schötmar Sitz eines Vogtes, d.h. eines Statthalters des lippischen Landesherrn, was auf seine frühe und große Bedeutung hinweist. Als 1730 das sog. Amt Schötmar gebildet wurde, wurde der Ort – ohnehin auch Mittelpunkt des gleichnamigen Kirchspiels – als Verwaltungssitz bestätigt. Fortan residierten hier Amtsräte, Amtshauptleute und Landräte, wie sich die Verwaltungsleiter ab 1902 nennen durften. Es ist indes ein Kuriosum, dass Schötmar auch Amtssitz blieb, als es selbst nach Erlangung der Stadtrechte (1921) verwaltungstechnisch gar nicht mehr Teil dieses Amtes war. 1932 wurde schließlich mit der Bildung der beiden Kreise Lemgo und Detmold die alte lippische Ämter-Struktur aufgehoben.

Gut drei Jahrhunderte lang wohnten die Amtsräte, die häufig von den größeren Gütern der Umgebung stammten, gar nicht in Schötmar, sondern hatten hier nur ihren Dienstort, den sie lediglich stundenweise aufsuchten. Erst im Jahre 1816 entschloss sich die Landesregierung zum Kauf eines Gebäudes, das als Behördensitz und dem jeweiligen Amtsinhaber als Wohnsitz dienen sollte. Die Wahl fiel auf ein an der Hauptstraße Schötmars gelegenes Haus, das 1743/44 von Bernhard Philipp Detering (1698-1760), Besitzer des Hofes Westervinnen (Lockhausen Nr. 1), während seiner Tätigkeit als Amtsrat auf eigene Rechnung errichtet worden war. Der doppelstöckige Bau mit Walmdach, dessen Fachwerk im späten 19. Jahrhundert zeitweise durch Verputz versteckt worden war, war eines der repräsentativsten Anwesen des Ortes.

1904 wurde mit dem Bau eines neuen Amtshauses begonnen, nachdem die Räume des alten als unzureichend angesehen wurden. Überdies hielt man es wohl für nicht mehr angemessen, dass sich die vielbesuchten Büroräume eines Amtes und die Wohnung des Landrates unter einem Dach befänden. Anstelle der im Garten befindlichen Scheune entstand ein modernes Verwaltungsgebäude, das im September 1905 seiner Bestimmung übergeben werden konnte.

Ein neues Kapitel in der Geschichte der Amtshäuser wurde Anfang der 1932 aufgeschlagen. Nach der Auflösung des Amtes Schötmar wurde der Gebäudekomplex einer anderen Nutzung zugeführt. Den alten Amtssitz bezog Dr. Georg Duckert (1899-1976), der als Chirurg und Chefarzt am Schötmaraner Krankenhaus tätig war und hier zusätzlich eine Privatpraxis betrieb. Das neue Amtshaus erwarb die Kreissparkasse Lemgo, die Nachfolgerin der 1903 gegründeten Amtssparkasse Schötmar. Das Gebäude wurde allerdings zunächst nach den Plänen des Lemgoer Architekten Ernst Pethig (1892-1956) für seine neue Funktion umgebaut. In dieser Zeit gelangte auch der hölzerne Wegweiser zur Bank – mit den ein Geldstück rollenden Zwergen – an der Grundstückseinfahrt zur Aufstellung, der leider verschollen ist.

Zu einer einschneidenden Veränderung kam es im Jahre 1961, als das alte Amtshaus zum Bedauern vieler Schötmaraner abgerissen wurde. Wenngleich die Kreissparkasse zuvor gleichsam zur Beruhigung der Bevölkerung verkündet hatte, man werde das historische Gebäude fachgerecht zerlegen und an anderer Stelle wieder aufbauen lassen, wurde es binnen zweier Tage brutal niedergerissen. An seiner Stelle entstand ein neues Kreissparkassengebäude, das mit seinem Flachdach dem damaligen Zeitgeist entsprach und im April 1963 eingeweiht wurde. 1970 gelang es der Kreissparkasse, die benachbarte alte Pfarrscheune zu erwerben, die sie abbrechen ließ, um ihre Repräsentanz durch einen Parkplatz zu vervollständigen.

Im Jahre 2003 veränderte das Areal letztmalig sein Gesicht: Altes und neues Sparkassengebäude wurden abgerissen und machten Platz für den Neubau eines Schötmaraner „BeratungsCenters” der Sparkasse Lemgo.

Dr. Stefan Wiesekopsieker

Zuerst erschienen in: Evangelisch in Schötmar, EiS, Informationsblatt aus den ev.-ref. und ev.-luth. Kirchengemeinden, Nr. 166 (3/2007-5/2007), S. 8-9.

Teil 7

Die in ihrem ersten Teil parallel zu den Bahngleisen verlaufende Eduard-Wolff-Straße, die bis in die 1930er Jahre Bahnhofstraße hieß, hat ihr Aussehen in den vergangenen 100 Jahren kaum verändert. Noch heute machen mehrere großzügige Bauten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts deutlich, wie sich Schötmar auch baulich in diesen Jahrzehnten vom Dorf zur Stadt wandelte.

Den voluminösen Eckbau (heute Begastraße 37) ließ im Jahre 1885/86 der Apotheker Theodor Schultze (1849-1910) errichten. Dieser war seit 1875 in Schötmar ansässig, nachdem er die fünf Jahre zuvor gegründete (erste) Apotheke des Ortes weiter oben an der Begastraße (heute Begastraße 13) übernommen hatte. Das moderne, geradezu großstädtisch anmutende Gebäude beherbergte fortan nicht nur die neue Schultze’sche „Bismarck-Apotheke”, sondern auch die Wohnung des Apothekers und seiner Familie.

Stolz ließ der Erbauer im Giebel eine Inschrift anbringen („Th. Schultze / u. Frau geb. / Knollmann. / haben 1885-86 / dieses Haus / erbauen lassen / durch Baumstr. / Knollmann.”), die seit der vor einiger Zeit erfolgten Renovierung des Hauses wieder im alten Glanz erstrahlt.

Aus einer Annonce aus dem Jahre 1905 geht hervor, dass Theodor Schultze neben seiner Apotheke mit angeschlossener Drogerie auch eine Weinhandlung betrieb. Überdies bot er Fruchtsäfte, Essenzen, Parfüms und sogar Farben und Fußbodenöle zum Verkauf an.

Bald nach Theodor Schultzes Tod ging das Anwesen durch Verkauf in den Besitz seines Schwiegersohnes Albert Doht (1883-1971) über, der die Apotheke weiterführte, die dort noch bis in die frühen 1990er Jahre bestand; heute befindet sich in den ehemaligen Geschäftsräumen das „Café del Sol”.

Das erste Haus der Eduard-Wolff-Straße selbst ist das jüngste des abgebildeten Ensembles, denn es stammt erst aus dem Jahre 1910. Erbaut wurde es nach einem Entwurf des Architekten Fritz Brüning (1879-1964) von der Schötmaraner Kirchengemeinde, die nach Gründung einer dritten Pfarre (1908) auch dem zunächst zur Miete wohnenden neuen Pfarrer Wilhelm Butterweck (1874-1943) ein eigenes Pfarrhaus zur Verfügung stellen wollte. Fast 30 Jahre bewohnte Wilhelm Butterweck das Haus vis-à-vis dem Bahnhof, und hier entstanden auch die meisten seiner noch heute bekannten orts- und kirchengeschichtlichen Arbeiten, wie z.B. „Aus Schötmars vergangenen Tagen” (1923) oder die „Geschichte der Lippischen Landeskirche” (1926). Niedergeschrieben wurde in diesem Haus in den Jahren 1914/16 aber auch sein „Kriegstagebuch”, das jüngst wiederentdeckt und veröffentlicht wurde.

Deutlich älter ist das massive Bruchsteinhaus Eduard-Wolff-Straße 3, das schon 1888 wahrscheinlich nach einem Entwurf des Salzufler Architekten Fritz Seiff (1852-1900) gebaut wurde. Bauherr war der seit 1878 in Schötmar ansässige Arzt Dr. Ulrich Volkhausen (1854-1937), der später in Detmold wirkte und unter dem Pseudonym Korl Biegemann zahlreiche Gedichte in lippischer Mundart verfasste, die bis heute zum festen Repertoire bei Treffen plattdeutscher „Frünne” gehören. Bis in die jüngste Zeit befand sich im früher Volkhausen’schen Hause eine Arztpraxis – über drei Generationen praktizierte hier die Arztfamilie Schmidtpott.

Beide Grundstücke (Eduard-Wolff-Straße 1 und 3) gehörten zunächst zum Besitz des Apothekers Theodor Schultze und bildeten den passenden Garten zum imposanten Eckgebäude. Interessante Randnotiz: Ein 1839 gebautes Fachwerkhaus, das sich etwa auf dem heutigen Grundstück Eduard-Wolff-Straße 1 befand, hatte der Apotheker mitgekauft, ließ es jedoch abtragen. Es wurde an der Asper Straße (heute Nr. 24) wieder aufgebaut, wo es noch heute steht, allerdings nicht mehr als Fachwerkbau erkennbar ist.

Im weiteren Verlauf des ersten Teils der Eduard-Wolff-Straße folgen mit den Häusern Nr. 5, 7 und 2 drei ebenfalls beeindruckende Bauten, die aber auf der Ansichtskarte von 1914 nicht mehr zu sehen sind und einer späteren Betrachtung überlassen bleiben sollen.

Dr. Stefan Wiesekopsieker

Zuerst erschienen in: Evangelisch in Schötmar, EiS, Informationsblatt aus den ev.-ref. und ev.-luth. Kirchengemeinden, Nr. 167 (6/2007-7/2007), S. 8-9.

Teil 8

In seiner umfangreichen Schötmar-Chronik aus dem Jahre 1993 hat der jüngst verstorbene Heimatforscher Kurt Wallbaum detailliert dargelegt, wie sich Schötmar aus kleinsten Anfängen zu einem immer größer werdenden Ort entwickelt hat, was schließlich zur späten Erhebung zur Stadt im Jahre 1921 führte.

Besonders rasant verlief die Erweiterung Schötmars – vom Zentrum aus gesehen – jenseits der Bega; ab 1858 entstanden innerhalb weniger Jahrzehnte zahlreiche Neubauten entlang der heutigen Krummen Weide, Mitte der 1860er Jahre stellte auch die Werre kein „Hindernis” mehr dar. Schon zur Jahrhundertwende war die Krumme Weide bis zum 1840 angelegten Werre-Friedhof beidseitig fast komplett bebaut; die verbliebenen Baulücken wurden rasch geschlossen. Dabei entstanden einige recht imposante Bauwerke, wie z.B. die Häuser Krumme Weide 73 und 75; in letzterem befand sich jahrzehntelang das Geschäftslokal der weit über Schötmar hinaus geschätzten Manufakturwarenhandlung Husemann.

Bereits im Jahre 1875 hatte Wilhelm Frohne (1846-1912), der aus Bremen zugezogen war, gegenüber dem Friedhof an der Ecke zur späteren Asper Straße ein großzügiges Gasthaus bauen lassen, das er nach dem weltbekannten Kopenhagener Vergnügungs- und Erholungspark „Tivoli” benannte. Dem rührigen Gastwirt gelang es alsbald, sein Haus am neuen „Einfallstor” nach Schötmar zu einem der angesehensten Gasthäuser Schötmars und der Umgebung zu machen, nicht zuletzt weil es über zahlreiche Attraktionen verfügte.

So wartete das „Tivoli” nicht nur mit einer ausgedehnten Gartenwirtschaft, die insbesondere an Wochenenden und Feiertagen von Ausflüglern frequentiert wurde, sondern auch mit einem großen Saal, der für alle möglichen Festivitäten und Versammlungen, ja sogar für Turnveranstaltungen genutzt wurde, auf; über Jahrzehnte war das „Tivoli” das Vereins- und Übungslokal des 1863 gegründeten Schötmaraner Turnvereins. 1890 ließ die Familie Frohne gleich neben ihrem Gasthaus ein Privathaus (zuletzt Asper Straße 3) errichten, das sie mehr als einhundert Jahre bewohnen sollte.

Aus der Ehe von Wilhelm Frohne und seiner Frau Johanne (1853-1928) gingen zwischen 1874 und 1893 insgesamt neun Kinder hervor, die jedoch nicht alle das Erwachsenenalter erreichten. Die Söhne betrieben die Gastwirtschaft weiter, wandten sich jedoch auch anderen kaufmännischen Betätigungen zu. Erwähnt seien Hugo (1878-1963) und Friedrich Frohne (1884-1968), die im Mai 1917 ein an der Werre gelegenes Sägewerk (Krumme Weide 46) erwarben; die vorhandene Getreidemühle rüsteten sie zu einer Ölmühle um, deren Existenz aber nur von kurzer Dauer war. Friedrich Frohne betätigte sich darüber hinaus lange Jahre als Leiter der zwischen 1884 und 1936 bestehenden „Ziegler-Kranken- und Unterstützungskasse Schötmar”, die mit zeitweise über 6.000 Mitgliedern zu den größten Ziegler-Krankenkassen in Lippe zählte.

Letzter Sachwalter aller Frohne’schen Besitzungen war schließlich der Rechtsanwalt und Notar Wilhelm Frohne (1911-1993), ein Sohn Hugo Frohnes, der auch in der Schötmaraner und später Bad Salzufler Kommunalpolitik als CDU-Ratsherr eine Rolle spielte. Das „Tivoli” erlebte wechselnde Pächter und nach Aufgabe des Hotelbetriebs manch Mieter, in seinen Anbauten beherbergte es wechselnde Geschäfte – sogar eine „Spielothek” –, doch war seine große Zeit vorbei. Spätestens als der Betrieb des legendären Programmkinos „Leinwand” und die noch verbliebene Gaststätte Mitte der 1990er Jahre geschlossen wurden, verfiel der „Tivoli”-Komplex mehr und mehr. Erst im Mai 2003 beseitigte ein Abrissbagger dieses Stück Schötmaraner Stadtgeschichte, um Platz für einen LHG-Markt zu schaffen. Doch trotz der Neubebauung sucht das Auge des aus der Krummen Weide kommenden Betrachters auch heute noch immer nach einem Fixpunkt, wie ihn das „Tivoli” gut 130 Jahre lang bot.

Der Nachlass der Familie Frohne – soweit es sich um schriftliche und fotografische Dokumente handelt – befindet sich seit Mitte der 1990er Jahre in der Obhut des Bad Salzufler Stadtarchivs, wo er Interessierten zur Einsicht vorgelegt werden kann.

Dr. Stefan Wiesekopsieker

Zuerst erschienen in: Evangelisch in Schötmar, EiS, Informationsblatt aus den ev.-ref. und ev.-luth. Kirchengemeinden, Nr. 168 (8/2007-10/2007), S. 8-9.

Teil 9

Mitte des 19. Jahrhunderts führte am westlichen Ausgang der Dorfschaft Schötmar lediglich eine alte, zuletzt ziemlich baufällige Brücke über die Bega. Diese wurde 1857 durch eine steinerne ersetzt, wodurch auch die Erschließung der dahinter liegenden Flächen – zwischen den beiden Schötmar durchfließenden Flüssen – begonnen werden konnte. Alsbald begann die Bebauung der schon länger bestehenden Straße, der so genannten Krummen Weide. Heute, gut 150 Jahre später, zählt sie zu den Hauptgeschäftsstraßen des Ortes.

Abgesehen von der Quent’schen Ziegelei, die weitab von der eigentlichen Straßenführung schon 1856 entstanden war (Am Ziegelhofe!), wurde zunächst die erste Hälfte der Südseite der Krummen Weide nach und nach bebaut. Das Gelände hatte bis dahin zur Domäne Heerse und damit der Fürstlichen Rentkammer in Detmold gehört, die nun der als dringend notwendigen Ortserweiterung Rechnung trug und es in Form von acht Bauplätzen zum Verkauf anbot.

In seiner Ortschronik hat Kurt Wallbaum die schrittweise Bebauung der Straße Haus für Haus skizzenhaft beschrieben, wobei er den Bogen stets bis zur Gegenwart (1993) zog. Im betreffenden Abschnitt heißt es u.a.: „Das erste Haus jenseits der Bega an der Krummen Weide mit der Nr. 47 (alte Haus-Nr. 108) baute 1858 der Ziegelmeister Witte, der später in Holland durch einen Sturz von einem Ziegelofen ums Leben kam. Von 1864 bis 1938 befand sich das Haus im Besitz der jüdischen Familie Eichmann. Heute liegt hier der ALDI-Markt.” (S. 179).

Das Eckhaus zur späteren Uferstraße (Krumme Weide 39) entstand erst 1860 und gelangte einige Jahre später in den Besitz des Kaufmanns Friedrich Ostmann (1839-?), der auch Schnaps verkaufte, den die Schötmaraner scherzhaft als „Bega-Sprudel” bezeichneten. Nächster Besitzer des Anwesens war der Lederhändler und Schäftestepper Friedrich Räker (1865-1923), der nach dem Ersten Weltkrieg nach Argentinien auswanderte. Bereits vor dem Krieg hatte er sein angrenzendes Gartenland veräußert, auf dem die Häuser Uferstraße 2 bis 6 erbaut wurden. Das Eckhaus selbst erlebte zahlreiche äußere wie innere Veränderungen und Besitzerwechsel, lange befand sich im Souterrain das Lebensmittelgeschäft der Eheleute Hassli; heute beherbergen die Räumlichkeiten ein Blumengeschäft.

Die nördliche Seite der Krummen Weide wurde etwas später als die gegenüberliegende bebaut. Den bedeutendsten Bau schuf hier im Jahre 1891 der Kaufmann Ernst Küster (1860-1909), indem er parallel zum Verlauf der Bega eine großzügige Fabrikanlage zur Herstellung von Kämmen aus Horn bzw. später aus Celluloid errichten ließ (Krumme Weide 30). Durch diese Fabrikgründung legte Ernst Küster den Grundstein zu einer durchgreifenden Industrialisierung Schötmars, die dem Ort im Jahre 1921 die Erhebung zur Stadt bescherte.

Auf Grund der günstigen Entwicklung seines Unternehmens baute der „Fabrikherr” 1898 für sich und seine Familie auf dem benachbarten Grundstück eine stattliche Villa (Krumme Weide 32). Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte das ortsbildprägende Gebäude verschiedene Nutzungen, u.a. als Rechtsanwaltskanzlei und Gaststätte, bevor es 1968 abgebrochen wurde, um einem mehrgeschossigen Neubau mit modernen Ladengeschäften Platz zu machen.

Gut ein Jahrzehnt später wurde damit begonnen, die Anlagen der Fabrik, die zuletzt als „Ernst-Küster-Kolibri-Werk” firmierte, abzureißen, um einem Geschäftshaus sowie einer ausgedehnten Wohnbebauung Raum zu geben. Leider erinnert heute nichts mehr an die Familie Küster und ihr bedeutsames Wirken für Schötmar – angemessen wäre z.B. die Benennung eines Weges in der kleinen Siedlung gewesen, aber offensichtlich fällt es hiesigen Orts schwer, der eigenen Geschichte zu gedenken.


Dr. Stefan Wiesekopsieker

Zuerst erschienen in: Evangelisch in Schötmar, EiS, Informationsblatt aus den ev.-ref. und ev.-luth. Kirchengemeinden, Nr. 169 (10/2007-12/2007), S. 7-8.

Teil 10

Das Rittergut Schötmar wurde im Jahre 1664 durch den aus Wöbbel stammenden Obristen Simon Moritz von Donop (1613-1676) begründet. Dieser hatte während des Dreißigjährigen Krieges eine glänzende militärische Karriere gemacht, die er in Friedenszeiten im Dienste der lippischen Landesherren als Rat und Landdrost fortsetzen konnte. Ausgestattet mit einem gewissen Vermögen, erwarb er Anfang der 1660er Jahre den Schötmaraner Kirchspielkrug (heute „Korf”) samt allen Privilegien. Alsbald kaufte er weitere Ländereien und Gebäude zusammen, wodurch sich ein ansehnliches Besitztum ergab. Auf Grund seiner Verdienste und guten Beziehungen zum lippischen Grafenhaus gelang es Simon Moritz von Donop, für sein Anwesen den Status eines Rittergutes zu erwirken, obwohl es freilich kaum in Größe und Ansehen mit den alten Rittergütern des Landes zu konkurrieren vermochte.

Unter seinen Nachkommen konnte der Grundbesitz beträchtlich vergrößert werden, u.a. wurden Flächen auf der östlichen Seite der heutigen Schlossstraße erworben. Hier ließ August Moritz Abel Plato von Donop (1694-1762), der Enkel Simon Moritz von Donops, ab 1729 ein das gesamte Ortsbild beherrschendes Schloss errichten. Das alte, weniger repräsentative Herrenhaus hatte sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite befunden und war Teil der vom Gründer des Gutes angelegten Hofanlage (heute in etwa die Grundstücke Vehrlingstraße 1-7 und Schlossstraße 11 umfassend). Von diesen alten Gebäuden ist nach der Auflösung des landwirtschaftlichen Betriebes (1895) nichts erhalten geblieben: Allein zwei Reliefsteine aus dem Jahre 1666 mit den Wappen der Familien von Donop und von Kerßenbrock, die einst die Einfahrt zum Hof zierten, erinnern noch an die Anfänge des Rittergutes; beide Steine befinden sich heute an einem Kellereingang des Schlosses.

Unter August Moritz Abel Plato von Donop, Heerführer und Diplomat in verschiedenen Diensten, entstand ein überaus prachtvolles Gebäude, das zu den bedeutendsten Bauwerken aus dem 18. Jahrhunderts in unserer Gegend zählt und dessen kostbare Innenausstattung (Wandvertäfelungen, lebensgroße Bilder, u.a. des preußischen Königs Friedrich des Großen (1712-1786) sowie seines Bruders, usw.) sich zum größten Teil bis heute erhalten haben.

Doch die Tage der Familie Donop waren bei der Fertigstellung des Schlosses bereits gezählt, da ihrem Schötmaraner Zweig der Nachwuchs versagt blieb, so dass der Besitz in andere Hände überging – und dies in rascher Folge mehrmals hintereinander. Eine Kontinuität kehrte erst im Jahre 1831 ein, als die Familie von Stietencron das gesamte seinerzeit 803 Scheffelsaat (ca. 138 ha) umfassende Rittergut erwarb. Erster „Herr auf Schötmar” aus dieser Familie war Johann Friedrich Carl Gustav von Stietencron (1751-1836), der zuvor als Drost und Oberhauptmann in Neustadt am Rübenberge (Königreich Hannover) gewirkt hatte und von dem u.a. alle Schötmaraner Stietencrons abstammen.

In den nachfolgenden Generationen wurden am Schloss zahlreiche Modernisierungen vorgenommen. Eine grundlegende Veränderung erfolgte indes erst kurz vor dem Ersten Weltkrieg, als auf Initiative Margarethe von Stietencrons (1862-1937), der Witwe des früh verstorbenen Iwan von Stietencron (1844-1897), der Mittelteil des Gebäudes durch eine Empfangshalle mit Kamin und imposantem Treppenhaus erweitert wurde. Gleichzeitig wurde der Haupteingang zum Schloss, der sich bis dahin auf der Nordseite (Parkseite) befunden hatte, auf die neugestaltete Südseite verlegt. In großartiger Weise gelang es damals, den hinzugefügten Baukörper an den aus dem 18. Jahrhundert stammenden ursprünglichen Komplex anzupassen.

Im Jahre 1949 erwarb die damalige Stadt Schötmar das Schloss und die dazugehörigen Parkanlagen von der Familie von Stietencron zum Preis von 240.000 DM. Nach verschiedenen „Verwertungen” und einer umfassenden denkmalgerechten Renovierung beherbergt das Schloss seit 1984 die Städtische Musikschule, eine Nutzung, die in letzter Zeit wieder in Frage gestellt worden ist. Ein ins Auge gefasster Verkauf des Schlosses soll die Stadt von der Verpflichtung, dringend notwendige Sanierungsmaßnahmen durchzuführen, befreien. Dass man im Falle eines Verkaufs aber auch ein Kleinod Schötmars für immer aus der Hand gäbe, scheint den Befürwortern gleichgültig zu sein. Quo vadis, Schötmar?

Dr. Stefan Wiesekopsieker

Zuerst erschienen in: Evangelisch in Schötmar, EiS, Informationsblatt aus den ev.-ref. und ev.-luth. Kirchengemeinden, Nr. 170 (12/2007-2/2008), S. 7-8.

Teil 11

Als im September 2005 die Bagger anrückten, um den Altbau des Schötmaraner Krankenhauses abzureißen, kam bei vielen Wehmut auf, handelte es sich doch schließlich um den Geburtsort zahlreicher Alteingesessener. Dass gerade das architektonisch schönste Teilstück des Komplexes abgebrochen wurde, ist überaus bedauerlich, doch soll zumindest die gerettete Giebelspitze mit ihrer Jugendstil-Verzierung einen dauerhaften Platz auf dem Areal erhalten. Wie kam es zum Bau des Krankenhauses vor fast 100 Jahren?

Als im Mai 1849 in Detmold ein erstes allgemeines für die Bevölkerung ganz Lippes konzipiertes Krankenhaus seinen Betrieb aufnahm, war damit ein entscheidender Schritt zu einer besseren medizinischen Versorgung des Landes getan worden. Zwar hatte es auch hier schon zuvor seit dem Mittelalter zahlreiche Spitäler und Siechenhäuser gegeben, doch hatten diese lediglich zur Versorgung Alter und Siecher gedient. Eine Umwandlung in Behandlungskrankenhäuser mit dem Ziel, die Patienten nach gewisser Zeit geheilt zu entlassen, wie dies in Deutschland während des 18. Jahrhunderts mehr und mehr üblich wurde, konnten die kleinen lippischen Städte als Trägerinnen solcher Einrichtungen aus finanziellen Gründen nicht vollziehen.

In Salzuflen hatte sich im Februar 1872 der dortige Amtsphysikus Dr. Moritz Lenzberg (1821-1900) für den Bau eines öffentlichen Krankenhauses für die Salzestadt ausgesprochen. Trotzdem dauerte es noch sieben Jahre, bis die Armenkommission ein Grundstück an der Straße nach Wüsten (heute Feierabendhaus an der Wenkenstraße) erwarb, um dort eine solche Einrichtung zu etablieren. Das Anfang März 1882 in Betrieb genommene Krankenhaus versorgte fortan Salzuflen und seine nähere Umgebung.

Im Jahre 1900 wurde exklusiv für die rund 1.000 Beschäftigten der Hoffmann’s Stärkefabriken anlässlich ihres goldenen Firmenjubiläums seitens der Gesellschaft ein eigenes Krankenhaus errichtet – das Hoffmann-Stift. Dem „Normal-Salzufler” oder „Normal-Schötmaraner” stand dieses jedoch nicht zur Verfügung, es sei denn, er bat als Privatpatient um Aufnahme.

Etwa zur gleichen Zeit zeigte auch das Amt Schötmar Interesse an der Mitbenutzung oder dem Bau eines Krankenhauses. Motor der seinerzeit begonnenen Initiative war der Schötmaraner Amtshauptmann Theodor Heldman (1860-1933). Dieser ließ zunächst Ende 1906 bei der Stärkefabrik anfragen, ob das Hoffmann-Stift mitbenutzt werden könne, was das Unternehmen jedoch entschieden ablehnte. Nach diesem abschlägigen Bescheid wurde daher mit den Planungen für ein eigenes kleines Krankenhaus für das Amt und die Dorfschaft Schötmar begonnen. Das Grundstück dafür stellte die Familie von Stietencron aus ihren zum Lohhof gehörenden Ländereien für 7.000 M zur Verfügung. Die Baukosten sollten nach einem Beschluss der Amtsgemeinde 60.000 M nicht überschreiten, die Kosten für die Inneneinrichtung durch Spenden zusammengebracht werden, was mit Hilfe zahlreicher wohltätiger Veranstaltungen auch tatsächlich gelang.

So entstand zwischen 1907 und 1909 an der Breder Straße (heute Heldmanstraße), nur wenige hundert Meter vom Hoffmann-Stift entfernt(!), nach einem Entwurf des Schötmaraner Architekten Fritz Brüning (1879-1964) ein moderner Krankenhausbau mit der heute kaum vorstellbar niedrigen Zahl von 25 Betten. Die feierliche Einweihung erfolgte am 16. Mai 1909.

In der Folgezeit wurde das Haus von allen ortsansässigen Ärzten gemeinsam genutzt. In einem gut ausgestatteten Operationssaal konnten kleinere Eingriffe ausgeführt werden, schwierigere Operationen blieben nach wie vor dem Detmolder oder anderen größeren Krankenhäusern vorbehalten. Trotz aller Vorzüge litt das Schötmaraner Krankenhaus viele Jahre unter einer zu geringen Belegungsquote, so dass ein Teil der Betten für Pflegebedürftige zur Verfügung gestellt wurde. Doch es sollten auch bessere Zeiten für das Krankenhaus kommen, wie die zahlreichen Erweiterungsbauten – insbesondere aus den 1950er Jahren – bis auf den heutigen Tag bezeugen.

Dr. Stefan Wiesekopsieker

Zuerst erschienen in: Evangelisch in Schötmar, EiS, Informationsblatt aus den ev.-ref. und ev.-luth. Kirchengemeinden, Nr. 171 (3/2008-5/2008), S. 14-15.

Teil 12

Im Jahre 1896 verpachtete die Dorfschaft Schötmar ein gut 3.500 qm großes Areal am Waldesrand des Asenbergs an Wilhelm Kleeböhmer (1856-1933), den Gastwirt des „Odeons” (Schülerstraße 12). Dieser erbaute dort eine Schankwirtschaft, die zunächst jedoch nur im Sommer (1. Mai bis 30. September) geöffnet hatte. Den Namen des Lokals, „Walhalla”, entlieh er aus der nordischen Mythologie, in der das Walhall (!) den Ruheort tapferer Kämpfer bezeichnet, die in einer Schlacht gefallen sind.

In den folgenden Jahren entwickelte sich die Kleeböhmer’sche Dependance prächtig und war insbesondere bei Ausflüglern ein gern besuchter Ort, an dem man – hoch über Schötmar – nicht nur gute Speisen und Getränke, sondern auch eine wunderbare Aussicht genießen konnte. Die anfänglich nur für den Betrieb im Sommer errichteten Holzbauten wurden nach und nach durch weitere (auch steinerne) Bauten ergänzt, so dass sich die „Walhalla” vom reinen Ausflugslokal zu einer vielseitigen Lokalität mit Kegelbahn (1898), Restaurant und Übernachtungsmöglichkeit (1909) weiterentwickelte. Bereits 1906 hatte sich Wilhelm Kleeböhmer entschlossen, die „Walhalla” auf einen ganzjährigen Betrieb umzustellen.

Nachdem in der Nacht vom 9. auf den 10. Oktober 1910 die hölzernen Teile des Waldrestaurants abgebrannt waren, entschied sich die Dorfschaft für einen Neubau, dessen Kosten jedoch 10.000 M nicht überschreiten sollten. Unter dieser Maßgabe wurde ein Wettbewerb unter heimischen Architekten ausgeschrieben, aus dem der gebürtige Schötmaraner, aber in Salzuflen ansässige Rudolf Günther (1880-1941) mit seinem Entwurf als Gewinner hervorging.

Ein Detmolder Regierungsbaurat, der vom Gemeindevorstand um die Begutachtung der eingereichten Zeichnungen und Voranschläge gebeten worden war, lobte am äußeren Erscheinungsbild des siegreichen Entwurfs vor allem den „von 2 Türmen flankierten Mittelbau und [die] tempelartig vorgelagerte Halle”, wodurch am meisten der „Charakter des Vergnügungshauses” getroffen werde. Bereits im Juni 1911 konnte die „Walhalla” im neuen Glanz ihre Pforten zu einem „Einweihungskommers” öffnen.

Nur ein Jahr später kam es nach einer Neuausschreibung der Verpachtung zu einem Pächterwechsel. Fortan bewirtschaftete Wilhelm Pivit (1886-1960) das Haus, das auch in den nächsten Jahren stetig modernisiert wurde. So erfolgte 1916 der Anschluss an das Schötmaraner Stromnetz, die Verlegung einer Wasserleitung – bis dahin musste jegliches Wasser aus einem Brunnen geschöpft werden – sowie die Verbesserung der Zufahrtswege. Nach wie vor erfreute sich die „Walhalla” eines regen Zuspruchs, vor allem als Ort großer und glanzvoller Familien- und Vereinsfeiern.

Wegen der ständigen Modernisierungen und Reparaturen wurde das Objekt der Stadt Schötmar immer mehr zu einer Last, so dass sie sich schließlich (1940) entschied, die „Walhalla” an ihren langjährigen Pächter zu verkaufen. Allerdings verhinderten der Zweite Weltkrieg und die Nachkriegszeit die weitere gedeihliche Entwicklung des Waldrestaurants: Erst 1955 konnte der Betrieb in früherer Form wieder aufgenommen werden, nachdem das Hauptgebäude zehn Jahre lang von der britischen Besatzungsmacht beschlagnahmt gewesen war. Dringend notwendige Umbauten wurden Anfang der 1960er Jahre unter der Regie von Hellmuth Pivit (1914-1987), dem Sohn und Nachfolger Wilhelm Pivits, durchgeführt – dabei wurde auch das weithin sichtbare „Portal” abgebrochen.

Noch einmal konnte die „Walhalla” an frühere Erfolge anknüpfen, denn neben einem separaten Gästehaus (1952/53 als „Ersatz” für das beschlagnahmte Hauptgebäude errichtet) stand nun auch ein „Konferenzzimmer bis 400 Personen”, wie auf einer zeitgenössischen Ansichtskarte stolz vermerkt wird, den Gästen aus nah und fern zur Verfügung. 1980 endete die Ära Pivit: Nach fast sieben Jahrzehnten gab die Familie die „Walhalla” auf – ein Nachfolger fand sich nicht. Weitere zehn Jahre später wurde das Hauptgebäude abgerissen. Seitdem finden sich alljährlich Nachrichten in den Zeitungen, die davon künden, dass alsbald ein Investor kommen werde, um das Gelände, an das heute nur noch eine Straßenbezeichnung erinnert, zu neuem Leben zu erwecken.

Dr. Stefan Wiesekopsieker

Zuerst erschienen in: Evangelisch in Schötmar, EiS, Informationsblatt aus den ev.-ref. und ev.-luth. Kirchengemeinden, Nr. 172 (5/2008-7/2008), S. 8-9.

Teil 13

Im Mittelalter existierten in Schötmar mehrere Höfe, die unterschiedlichen Grundherren gegenüber abgabepflichtig waren. Eines dieser bäuerlichen Anwesen war das so genannte Gut Winterberg an der westlichen Seite des heutigen Schötmaraner Marktplatzes. Lange gehörte es zum Amt Heerse und ging 1612 in den Besitz von Johann Tilmann (?-1617), dem Hofmaler Simons VII. zur Lippe (1587-1627), über. 1664 erwarb der aus Wöbbel stammende Obrist Simon Moritz von Donop (1613-1676) den Hof, der dadurch Teil seines „zusammengekauften” Rittergutes (später im Besitz der Familie von Stietencron) wurde.

Da der frisch gebackene Rittergutsbesitzer jedoch hauptsächlich Interesse an den Ländereien hatte, verkaufte er das Wohnhaus der Tilmann’schen Erben (Schötmar Nr. 28, heute Begastraße 11) weiter. Letztere hatten übrigens schon gut zehn Jahre zuvor das Privileg erhalten, Bier und Branntwein zu verkaufen, ein Sonderrecht, das bis dahin nur an den Kirchspielkrug (heute „Korf”) vergeben worden war. In den nächsten Jahrhunderten wechselte das Haus, in dem sich zumeist ein Krämerladen nebst Schenke befand, mehrfach seinen Eigentümer. Ende der 1850er Jahre veränderte es sein Äußeres, weil es nach einem Brand wieder aufgebaut werden musste.

Ein neues Kapitel in der Geschichte des Hauses wurde im Jahre 1870 aufgeschlagen, als Friedrich Junker (1835-1896), der Sohn eines Schötmaraner Schuhmachers, nach seiner Einheirat die Gastwirtschaft und den Kolonialwarenladen übernahm. Im kulturellen Leben Schötmars trat Friedrich Junker als engagierter Sänger, Dirigent und zeitweiliger Vorsitzender des Männergesangvereins in Erscheinung. Nach und nach setzte sich für das Haus und insbesondere den immer mehr florierenden Gasthof die Bezeichnung „Junkerhaus” durch.

Nach dem Tod des Vaters übernahm der Sohn Carl Junker (1874-1957) die Geschäfte, doch lag diesem der Gaststättenbetrieb – wohl auf Grund seiner kaufmännischen Ausbildung – nicht sonderlich am Herzen. Und obwohl er z.B. den Bierumsatz innerhalb von zehn Jahren verdreifachen konnte, verkaufte er Haus und Geschäft im Jahre 1906 und wandte sich mit der Gründung einer Matratzenfabrik („Junker & Kölling”) einem ganz anderen Feld zu.

Der neue Eigentümer, Friedrich Meierhenrich (1865-1946), ließ das Bruchsteinhaus im Jahr des Erwerbs verputzen und zur Straßenseite hin einen prächtigen Zwerchgiebel errichten. Auch die Stirnseite des Gebäudes wurde mit Verzierungen unter Verwendung von Jugendstilelementen neu gestaltet. Die eingeführte Lokalbezeichnung „Junkerhaus” blieb erhalten.

Seit den 1920er Jahren verpachtete Friedrich Meierhenrich zeitweise sein Gasthaus, dem inzwischen auch ein Hotel angegliedert worden war. Gleiches taten seine Erben, die 1963 den Saalanbau nebst Kegelbahn abreißen ließen; heute befindet sich dort ein Biergarten. Zahlreiche Pächter kamen und gingen in den folgenden Jahren. 1973 übernahm eine türkische Familie den Gaststättenbetrieb – damals ein Novum für Schötmar. 1988 wurde das „Junkerhaus” – inzwischen erstmals saniert – in die Denkmalliste der Stadt Bad Salzuflen eingetragen.

Heute führt das traditionsreiche Hotel und Restaurant die Familie Brčvak, die im vergangenen Jahr an ihrem Haus eine umfangreiche Instandsetzung der Fassade vornehmen ließ. Diese wurde mit Stadterneuerungsmitteln gefördert, aber auch der Heimat- und Verschönerungsverein (HVV) steuerte einen kleinen Betrag bei. Dazu wurde Geld verwandt, das anlässlich der Trauerfeier für den bekannten Schötmaraner Heimatforscher Kurt Wallbaum (1924-2007) zusammengebracht und dem HVV zur weiteren Verwendung übergeben worden war. Im Sinne des Verstorbenen kam es nun einer Maßnahme in „seinem” Schötmar zugute.

Rückgebaut und saniert wurde bei dieser Gelegenheit übrigens auch das schmalste Haus Schötmars (Begastraße 11 a), das 1924 von Friedrich Meierhenrich zwischen seinem und dem Haus Begastraße 13 gebaut worden war. Zehn Jahre später erwarb es Bäckermeister Wilhelm Sander (1887-1957), doch erst sein Sohn richtete hier 1959 eine Verkaufsfiliale ein; zuvor befand sich in dem kleinen Geschäftsraum u.a. das Bitter’sche Schuhgeschäft. Heute nutzt eine Fondsberatung das wieder in den ursprünglichen Zustand versetzte und ebenfalls unter Denkmalschutz stehende Haus.

Dr. Stefan Wiesekopsieker

Zuerst erschienen in: Evangelisch in Schötmar, EiS, Informationsblatt aus den ev.-ref. und ev.-luth. Kirchengemeinden, Nr. 173 (8/2008-10/2008), S. 8-9.

Teil 14

Die Schlachten des Ersten Weltkrieges (1914-1918) wurden nicht nur in Europa, sondern auch in Teilen Afrikas und Asiens geschlagen. Was als vermeintlich kurzer, europäischer Krieg begonnen hatte, entwickelte sich binnen Kurzem zum Weltenbrand, in den schließlich 25 Staaten nebst Kolonien, und damit drei Viertel der Erdbevölkerung, involviert waren. Die traurige Bilanz dieser „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts”, wie maßgebliche Historiker diesen Krieg heute bezeichnen, dokumentiert sich nicht nur in politischen Verwerfungen und massiven Zerstörungen, sondern auch in über neun Millionen Toten.

Unmittelbar nach Kriegsende schossen – vornehmlich in Europa – Erinnerungszeichen an die Jahre des Weltkriegs und ihre Opfer „wie Pilze” aus dem Boden, wobei allerdings in der Regel vorrangig der gefallenen Soldaten gedacht wurde. Auch im Deutschen Reich, das zu den Verlierern des Krieges zählte und sich durch den Versailler Vertrag als geknechtet empfand, errichtete man Kriegerdenkmäler, mit denen häufig zum Ausdruck gebracht wurde, dass die Opfer trotz der Niederlage nicht umsonst gewesen seien.

Ab 1919 entstanden auch in Lippe zahlreiche Kriegerdenkmäler, denn jede Stadt und nahezu jedes Dorf hatte Gefallene zu beklagen und das Bedürfnis, einen Ort zur gemeinsamen, öffentlichen Trauer zu schaffen. Land auf, Land ab setzten hitzige Diskussionen über den Standort, die künstlerische Ausgestaltung und die Finanzierung eines „eigenen” Denkmals ein. In Schötmar begann die Diskussion am 18. Januar 1920, als sich Vertreter mehrerer Krieger- und Landwehrvereine zu einer Besprechung über die Aufstellung eines „Denkmals für die gefallenen Helden der Amtsgemeinde” im „Lippischen Hof” (Begastraße 20) trafen.

Ende März 1920 kam es zur Gründung eines „Denkmalbauvereins”, der sich um Detailfragen und um die Akquisition der notwendigen Gelder bemühen sollte. Letzteres sollte vor allem durch eine Haussammlung geschehen, die von der Detmolder Regierung unbürokratisch genehmigt wurde. Hinter dem Projekt standen mittlerweile nicht nur die diversen Kriegervereine, sondern auch fast alle übrigen örtlichen Vereine. Eine große Rolle spielten aber auch die Schötmaraner Fabrikanten und die Kaufmannschaft, überdies engagierte sich im Verein eine Reihe von Lehrern; eine Mitgliedschaft konnte im Prinzip aber jeder erwerben. Zum Vereinsvorsitzenden wurde Anfang Mai 1920 der Fabrikant Carl Niß (1880-1944) gewählt, dem ein Jahr später Volksschulleiter Gustav Wolff (1881-1965) nachfolgte.

Überraschend schnell konnte die Frage gelöst werden, wo das Denkmal errichtet werden sollte, da Hartwig von Stietencron (1847-1932) die dem Marktplatz zugewandte Ecke seines Schlossparks für das Projekt zur Verfügung stellte. Allerdings behielt er sich seine Zustimmung zu den Plänen vor und verlangte eine symbolische Pacht von einem Pfennig pro Jahr. Doch erst im Februar 1922 konnte – durch Eigenleistungen – mit der Umgestaltung des Areals (Abbruch der Mauer, Einebnung des Platzes usw.) begonnen werden; es war gleichzeitig die „Geburtsstunde” des heutigen Eingangsbereichs zum Schlosspark.

Bereits Ende September 1921 hatte der Vorstand die Entscheidung treffen müssen, welcher der eingereichten Entwürfe umgesetzt werden sollte. Einstimmig hatte sich dieser für eine Figurengruppe des Detmolder Bildhauers Hartwig Bornemann (1881-1963) ausgesprochen, dem sofort der Auftrag erteilt wurde. Die weiteren gestalterischen Arbeiten übernahm der Schötmaraner Architekt Fritz Brüning (1879-1964), die handwerklichen wurden ortsansässigen Firmen wie Flaskämper, Galuhn und Frodermann übertragen.
Die fortschreitende Geldentwertung gefährdete immer wieder die Fertigstellung des Ehrenmals, so dass weitere Geldsammlungen durchgeführt werden mussten. Erschwerend kam hinzu, dass mehrere Gemeinden des Amtes sich für ein eigenes Denkmal entschieden hatten und als Mitfinanzierer ausgeschieden waren. Schließlich jedoch konnte die Figurengruppe nebst vier Steinplatten mit den Namen der Gefallenen aus Schötmar, Ehrsen-Breden, Werl-Aspe und Hündersen am 24. September 1922 in einer schlichten Feier eingeweiht werden – unter Glockengeläut und bei strömendem Regen! Bei dieser Gelegenheit wurde die Anlage der Stadt Schötmar übergeben, der Verein löste sich auf.

Anfang der 1960er Jahre wurde das Ehrenmal abgebrochen, als das Mausoleum im Schlosspark zur Gedenkstätte für die Opfer beider Weltkriege umgebaut wurde. Lediglich die vier Inschriftenplatten wurden bei der Ausgestaltung der Mausoleumshalle wiederverwendet.

Dr. Stefan Wiesekopsieker

Zuerst erschienen in: Evangelisch in Schötmar, EiS, Informationsblatt aus den ev.-ref. und ev.-luth. Kirchengemeinden, Nr. 174 (10/2008-12/2008), S. 8-9.

Teil 15

Zu Beginn des Jahres 1914 wurden unsere Breiten durch eine länger anhaltende Frostperiode erfasst, die neben kalten Winden auch viel Eis und Schnee brachte. Wenngleich die winterlichen Verhältnisse den Menschen zahlreiche Unannehmlichkeiten bescherten, freuten sich die meisten – insbesondere die Kinder – doch über die angenehmen Seiten des Winters, die sie während der ersten Tage und Wochen des neuen Jahres genießen konnten.

Alsbald füllten sich auch die Spalten der Lokalzeitungen mit Berichten über die winterlichen Aktivitäten der Schötmaraner und Salzufler, die offenbar in großer Zahl jede Gelegenheit zum Schlittenfahren, Rodeln und Eislaufen nutzten. Wo auch immer man eine kleine Anhöhe ausmachte, wurde sie zur Rodelbahn erklärt; größere und vor allem steilere Bahnen fanden sich freilich erst rund um das Asental sowie an den Hängen des Obern- und des Vierenbergs. Das Eislaufen wiederum ließ sich auf den kleinen Bächen und Teichen, aber auch an der Heerser Mühle oder auf dem Salzufler Kurparksee betreiben – die dazu notwendigen Schlittschuhe waren zumeist selbstgebaut.

Mehrere Zeitungsberichte beschäftigten sich damals auch mit den zahlreichen Unfällen, die sich infolge allzu eifrigen „Wintersports” ereigneten. So war es am Neujahrstag zu heftigen Karambolagen auf der Rodelbahn am Obernberg gekommen, woraufhin einige Erwachsene und Kinder mit Rippenbrüchen und anderen, zum Teil schweren Verletzungen sogar ins Krankenhaus gebracht werden mussten. Energisch forderte daher der in Salzuflen erscheinende „Lippische Allgemeine Anzeiger” (LAA) in seiner Ausgabe vom 3. Januar 1914, dass Mitglieder der Sanitätskolonne „an besonders gefährdeten Punkten der Bahn” postiert werden sollten. Darüber hinaus wurde die in städtischer Obhut (!) befindliche Anlage als „nicht betriebssicher” eingestuft und die Verpachtung an einen privaten Unternehmer empfohlen.

Hinsichtlich des Eislaufens wiesen die Zeitungen vielfach auf dessen „gesundheitsfördernde” Wirkung hin. Vielleicht frönte man deshalb dem Sport auf dem Salzufler Kurparksee sogar bis in den späten Abend. Allerdings wurde dort allgemein beklagt, dass die Freuden durch die „Roheiten halbwüchsiger Burschen” gestört würden, die am Ufer aufgestellte Ruhebänke auf den See zögen, um sie als Schlitten zu missbrauchen. Hier – so forderte die Zeitung (LAA vom 20. Januar 1914) – sollte die Polizei einschreiten!

Für die jungen Schötmaraner ließen sich auch innerorts Möglichkeiten zu „wintersportlicher” Betätigung finden, um ganz in der Nähe ihrer Elternhäuser ihre vielleicht gerade erst zu Weihnachten erhaltenen Schlitten ausprobieren zu können. Als ideal erwies sich z.B. der parallel zur Bega befindliche und bis heute existierende abschüssige Weg zur früheren Bleiche gegenüber dem Schötmaraner Bahnhof. Dieses kleine Rodel-Paradies, das kürzlich durch ein Geländer gesichert worden war, nutzten wohl vor allem die Kindern aus den umliegenden Straßen.

Insbesondere besorgte Eltern, die in den Häusern eingangs der Uferstraße wohnten, hatten quasi vom Küchenfenster aus einen direkten Blick auf ihre am anderen Bega-Ufer spielenden Kinder. Diese hatte als Fotomotiv auch der Fotograf Louis Brand (1876-1936) entdeckt, der im Vorjahr sein Atelier zur Uferstraße 4 hin verlegt hatte.

So entstand im Januar 1914 eine Aufnahme, die im Hintergrund neben dem Haus Krumme Weide 39 auch einen Teil der Küster’schen Celluloidwarenfabrik zeigt und die der geschäftstüchtige Fotograf als Ansichtskarte verkaufte – vor allem in der nächsten Nachbarschaft. Eine davon erwarb die Familie Kux (Uferstraße 6), nicht zuletzt weil ihr ältester Sohn Robert (1905-1977) als Schlittenfahrer auf dem Foto zu sehen ist. Über zwei Jahrzehnte später notierte dieser auf der Rückseite geradezu sehnsuchtsvoll: „Als ich noch klein war”.

Dr. Stefan Wiesekopsieker

Zuerst erschienen in: Evangelisch in Schötmar, EiS, Informationsblatt aus den ev.-ref. und ev.-luth. Kirchengemeinden, Nr. 175 (12/2008-02/2009), S. 6-7.

Teil 16

Bis auf den heutigen Tag weist die Schülerstraße eine Reihe von bemerkenswerten und geschichtsträchtigen Gebäuden auf: Im unteren Abschnitt muss dazu vor allem die Schüler’sche Villa (Schülerstraße 26) gezählt werden, die 1925 nach einem Entwurf des Lagenser Architekten Gustav Meßmann (1879-1944) entstand. In Höhe der Einmündung der Neuen Straße stellt hingegen der Gebäudekomplex der früheren Bürstenfabrik Katz (Schülerstraße 17) etwas Besonderes dar, da er an das erfolgreiche Wirken jüdischer Unternehmer in Schötmar erinnert. Im oberen Teil schließlich fällt das Haus Schülerstraße 11 auf, in dem seit einer grundlegenden Sanierung Ende der 1980er Jahre die Familien- und Schulberatungsstelle der Stadt Bad Salzuflen ihr Domizil hat.

Seit 1988 steht dieses Gebäude unter Denkmalschutz, der seinerzeit u. a. wie folgt begründet wurde: „Das stattliche zweigeschossige achtachsige Fachwerk-Traufenhaus mit Krüppelwalmen ist am Balken der ehemaligen Querdeele 1825 datiert. Es stellt ein ungewöhnlich großes und repräsentatives Beispiel aus der Spätzeit der Fachwerkkonstruktion im städtischen Bereich dar. Von den heute nur noch vereinzelten Zeugen dieser Architektur vor der Industrialisierung und Stadtwerdung ist im Ortskern Schötmar jedes dieser Häuser ein wichtiger Zeuge für die alte Besiedlung Schötmars.”

Tatsächlich findet sich über der früheren Toreinfahrt eine Inschrift, die den Tag der Richtung des Hauses, seine Erbauer und sogar den ausführenden Zimmermann nennt: „ANNO 1825 DEN 31TEN MEI HABEN BERNDT PHILIP SCHÄFER HIESELBST NEBST SEINER / FRAU MARIA SOHFIA STEDTFELD AUS DETMOLD DIESES HAUS DURCH GOTTES GÜTE BAUEN LASSEN / DURCH MEISTER HEINRICH WIND HIESELBST”.

Ein Blick zurück: Um 1815 hatte Berndt Philip Schäfer (1783-1857) die Besitzung (Schötmar Nr. 6) geerbt, die sein Großvater, Müller auf der Wüstener Kixmühle, 1767 gekauft hatte. Er selbst war als Garnhändler tätig und besuchte entsprechende Handelsplätze in Süddeutschland, Oberitalien, der Schweiz und im Elsaß. Die Geschäfte florierten, sein Vermögen wuchs und vermehrte sich zusätzlich durch die Verheiratung mit der Bäckerstochter Maria Sophia Stedtfeld (1789-1848), die einen ansehnlichen Brautschatz mit in die Ehe brachte. In den folgenden Jahren kauften die Eheleute Gärten und andere Ländereien insbesondere in der Umgebung ihres Anwesens hinzu. Die aus dem Grundbesitz zu erzielenden Pachteinnahmen ließen das Vermögen abermals anwachsen.

Vor diesem finanziellen Hintergrund muss die Errichtung des großzügigen Neubaus aus dem Jahre 1825 gesehen werden, zu einem Zeitpunkt, als die Familie und ihr Handelsunternehmen auf dem Höhepunkt ihres wirtschaftlichen Erfolges standen. Und so ist es kein Wunder, dass Berndt Philip Schäfer auch im öffentlichen Leben eine Rolle spielte: Zwischen 1827 und 1835 bekleidete er z.B. das Amt eines Dorfvorstehers. Erwähnt sei noch, dass er sich ebenso wie sein Vater und Großvater nach der langjährigen Eigentümerfamilie der Stätte Nr. 6 auch Schomaker (oder Schumacher) nannte.

Das einzige Kind der Ehe Schäfer/Stedtfeld, das das Erwachsenenalter erreichte, war die Tochter Charlotte Schäfer, später verheiratete Seiff (1824-1891), die somit die zahlreichen Ländereien und das „Stammhaus” Schülerstraße 11 erbte. Ihre Nachkommen gründeten hier 1877 eine Keksfabrik, die zunächst unter dem Namen „Mensch & Seiff” agierte. Nach verschiedenen Weiterverkäufen und Umfirmierungen gelangte sie 1897 in den Besitz des Salzufler Bäckers und Konditors Albrecht Sprick (1861-1929), der sie unter dem offenbar inzwischen gut eingeführten Firmennamen „Mensch & Schnapp” betrieb. Unter Albrecht Spricks Leitung entwickelte sich die Fabrik zu einem bedeutenden Unternehmen der Dauerbackwarenindustrie mit gut 200 Beschäftigten (um 1910), dessen Betriebsstätten stetig erweitert wurden.

Heute erinnert außer dem Fachwerkhaus nichts mehr an die Familien Schäfer und Seiff sowie an die bereits 1929 Bankrott gegangene Keksfabrik „Mensch & Schnapp”. Nachdem bis in die 1980er Jahre verschiedene Firmen das Areal genutzt hatten, wurden die Fabrikgebäude 1986 abgebrochen. An deren Stelle befinden sich nun u. a. der Montessori-Kindergarten und eine Zeile Reihenhäuser.

Dr. Stefan Wiesekopsieker

Zuerst erschienen in: Evangelisch in Schötmar, EiS, Informationsblatt aus den ev.-ref. und ev.-luth. Kirchengemeinden, Nr. 176 (03/2009-05/2009), S. 8-9.

Teil 17

Einen Meilenstein auf Lippes schwierigem Weg in das Industriezeitalter stellt unbestritten der Anfang der 1880er Jahre erfolgte Anschluss des Landes an die bereits 1847 fertiggestellte Eisenbahnverbindung Köln-Minden dar. Durch eine Stichbahn waren Detmold, Lage und Salzuflen zwar zunächst nur mit Herford, aber damit immerhin mit dem preußischen Eisenbahnnetz überhaupt verbunden. 1895 wurde diese Verbindung bis zum Eisenbahnknotenpunkt Altenbeken verlängert, womit Lippe nun auch über einen direkten Anschluss nach Kassel, einem der damals bedeutendsten deutschen Eisenbahnknotenpunkte, verfügte. Trotzdem besaß Lippe als Folge seiner über Jahrzehnte andauernden verfehlten Verkehrspolitik vor dem Ersten Weltkrieg eines der dünnsten Eisenbahnnetze aller deutschen Bundesstaaten mit einer Länge von lediglich 44 km.

Anstrengungen zur Verwirklichung eines Eisenbahnanschlusses hatte die Stadt Salzuflen – und an ihrer Seite die Stärkefabrik – bereits seit Mitte der 1860er Jahre unternommen, doch blieben diese zunächst erfolglos. Erst mit Hilfe der Cöln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft, die 1879 verstaatlicht wurde, gelang es, eine auch über Salzuflen führende Strecke Herford-Detmold zu realisieren, die am 31. Dezember 1880 offiziell eröffnet wurde. Dabei darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Stärkefabrik unter der Regie ihres Vorstands Eduard Hoffmann (1832-1894) sich nicht nur ideell für den Bau der Eisenbahnverbindung hartnäckig engagiert hatte, sondern mit gut 65.000 M auch an der Finanzierung beteiligt war. In den folgenden Jahren nahmen Personen- und Güterverkehr auf dem gesamten lippischen Streckenabschnitt einen enormen Aufschwung; in der Salzestadt war für den ersteren das aufstrebende Kurbad, für den letzteren die Stärkefabrik verantwortlich.

Wie groß die Freude in Salzuflen über den Anschluss an dieses moderne Verkehrssystem war, so gering war sie in Schötmar! Dort konnte man zwar die dampfenden Lokomotiven und die dahinterhängenden Züge sehen, aber nur als vorbeifahrende Sensation, denn in Schötmar gab es keine Haltestelle. Tatsächlich sollte es bis zum 1. Oktober 1892 dauern, bis es auch der Schötmaraner Einwohnerschaft vergönnt war, dass in ihrem Ort Züge hielten und abfuhren. Das dafür notwendige Bahnhofsgebäude hatte innerhalb von zwölf Wochen der ortsansässige Zimmermeister Johann Heinrich Günther (1844-1914) errichtet; die Kosten für den 1973 abgerissenen Bau beliefen sich auf gut 8.500 M.

Die Eröffnung der Haltestelle wurde unter großer Beteiligung der Bürgerschaft und in Anwesenheit lippischer Prominenz festlich begangen: Der erste von Detmold einlaufende Zug fuhr mit einer bekränzten Lokomotive ein, Erinnerungsfotos wurden geschossen, und im Hotel „Korf” fand für geladene Gäste ein Festessen statt. Stolze 180 Fahrkarten wurden am Tag der Inbetriebnahme der Haltestelle Schötmar verkauft, am zweiten sogar über 500. Es galt als Ereignis, eine Fahrt nach Salzuflen oder gar nach Herford oder Detmold zu unternehmen – und das für nur 20 Pfennig!

Die Zahl der Fahrgäste nahm in den nächsten Jahren kontinuierlich zu, aber auch der Güterumschlag erlangte immer größere Bedeutung, was durch die fortschreitende Industrialisierung Schötmars verursacht wurde. Dies führte dazu, dass im Jahre 1898 ein separater Güterbahnhof mit Abstellgleis neben dem schon vorhandenen Bahnhof gebaut wurde. Rund um den Bahnhof verrichtete eine Reihe von Bahnbediensteten ihre Tätigkeiten, bald nach der Jahrhundertwende war die Personalstärke bereits auf zehn „Reichsbahner” angewachsen. Die seinerzeit zu findenden Beschäftigten mit ihren klangvollen Berufsbezeichnungen, wie Bahnhofsvorsteher, Bahnsteigschaffner oder Weichensteller, sind inzwischen allesamt verschwunden. Die zunehmende Technisierung hat sogar dafür gesorgt, dass die meisten kleineren Bahnhöfe heute ohne jegliches Personal auskommen.

Dr. Stefan Wiesekopsieker

Zuerst erschienen in: Evangelisch in Schötmar, EiS, Informationsblatt aus den ev.-ref. und ev.-luth. Kirchengemeinden, Nr. 177 (06/2009-08/2009), S. 32-33.

Teil 18

Über das 1875 errichtete „Tivoli” und die Familie Frohne, die dieses Gasthaus begründete und über Jahrzehnte führte, ist bereits zu einem früheren Zeitpunkt berichtet worden (vgl. Folge 8). Es sollte aber noch einmal betont werden, dass der Bau des „Tivolis” gleichsam den Startschuss zur weiteren Ausdehnung Schötmars jenseits der Werre gab. In den folgenden Jahren wurden die vom Kreuzungspunkt „Tivoli” abzweigenden Straßen intensiv bebaut. Dies gilt insbesondere für die Asper Straße, die innerhalb der letzten 100 Jahre vielfältige Veränderungen erlebte.

Dass es überhaupt zu einer Bebauung des Asper Weges – so die Bezeichnung im „Lippischen Adressbuch” von 1901 – kam, ist der Familie von Stietencron zu verdanken, die Bauwilligen ihr gehörenden Grund und Boden entlang der linken Seite der Straße, vom „Tivoli” bis zur Einmündung des heutigen Mühlenweges, zum Kauf anbot. Zwischen 1886 und 1909 entstanden hier auf nahezu gleich großen Parzellen gut 20 Häuser, von denen allein sieben während des Jahres 1892 errichtet wurden. Auf der gegenüberliegenden Seite fanden sich zunächst nur vereinzelte Häuser, darunter ein 1885 hierher umgesetzter Fachwerkbau (heute Asper Straße 24), der sich zuvor an der heutigen (unteren) Eduard-Wolff-Straße gestanden hatte. Eine durchgehende Bebauung der rechten Seite der Asper Straße sollte erst im 20. Jahrhundert erfolgen.

Neben den zuerst errichteten Privathäusern, die nahezu ausnahmslos über einen rückwärtig angebauten Stall verfügten, genehmigte die Fürstliche Amtsverwaltung aber auch den Bau einer Fabrikanlage: An der Asper Straße 29 entstanden 1898 die Gebäude der Teutoburger Horn- und Celluloidwaren-Fabrik Eßmann & Pottharst. Das Unternehmen, das nach der Küster’schen Celluloidwarenfabrik bereits das zweite dieser Branche in Schötmar war – viele weitere sollten folgen –, produzierte neben Kämmen und Haarschmuck auch Stock- und Schirmgriffe. In ihren besten Zeiten beschäftigten Eßmann & Pottharst weit über 100 Leute; im Zuge der Wirtschaftskrise der frühen 1930er Jahre musste der Betrieb eingestellt werden.

In den folgenden Jahren siedelten sich immer mehr Firmen in der Asper Straße an, der Bogen reichte von der Himpel’schen Schokoladen- und Zuckerwarenfabrik (Nr. 11) bis hin zu einer der ersten Schuhfabriken des Ortes, Gottschalk & Blanke (Nr. 41). Schötmar, das sich bekanntlich selbst stolz als „Industriestadt” bezeichnete, hatte zeitweise seine liebe Not, allen Investitionswilligen entsprechende Flächen zur Verfügung zu stellen. Ausgewiesene Industriegebiete, wie wir sie aus der Gegenwart kennen, waren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch nicht vorhanden, wenngleich einige Bereiche der Stadt schon eine hohe Konzentration von Fabriken aufwiesen, wie z.B. die Uferstraße mit ihrer Fortsetzung, der Industriestraße, oder der hintere Teil der Friedhofstraße, der heutigen Otto-Hahn-Straße.

Bis in die 1970er Jahre gab es an der Asper Straße eine Vielzahl von Geschäften, Gaststätten, Handwerksbetrieben und Fabriken. Die in den 1950er Jahren ausgebaute und seitdem viel befahrene Straße war ein Abbild des lebendigen Treibens der damals blühenden selbständigen Stadt Schötmar. Dabei reihten sich die Firmen in die Wohnbebauung ein, wie der Blick in ein Adressbuch von 1958 zeigt: Lippische Celluloidwarenfabrik Knigge & Lindloff (Nr. 11), Schuhfabrik Busse & Felsberg (Nr. 19), Celluloidwarenfabrik Höhrmann & Co. (Nr. 28), Furnierzusammensetzerei Woydt & Scholz (Nr. 29) und Schuhfabrik Hermann Ellermann (Nr. 41). An Geschäften und Handwerksbetrieben finden sich u.a. folgende: Friseurgeschäft Sieweke (Nr. 6), Schuhmacherei Büschemann (Nr. 8), Schneiderei Heidergott (Nr. 15), Lebensmittelgeschäft Sellmann (Nr. 20), Bäckerei Althof (Nr. 21), Klempnerei Barkey (Nr. 23), Bäckerei Möller (Nr. 35) usw.

In den letzten Jahren ist es an der Asper Straße immer stiller geworden. Dies hängt mit der Schließung oder Verlegung fast aller Betriebe und Geschäfte zusammen, hat aber vor allem seine Ursache in der Fertigstellung der Trasse B (Lockhauser Straße) 1987 und der dadurch erfolgten Abkoppelung der nun nicht mehr nach Aspe führenden Straße von der B 239. Heute handelt es sich bei der Asper Straße um eine Wohnstraße, die nur noch hier und da Spuren des früheren geschäftigen Lebens aufweist.

Dr. Stefan Wiesekopsieker

Zuerst erschienen in: Evangelisch in Schötmar, EiS, Informationsblatt aus den ev.-ref. und ev.-luth. Kirchengemeinden, Nr. 178 (08/2009-10/2009), S. 8-9.

Teil 19

Im Herbst dieses Jahres befindet sich das Brüggenhaus (heute Otto-Hahn-Straße 71) seit genau 125 Jahren im Eigentum der Familie Haarmann/Hetland. Das Jubiläum soll zum Anlass genommen werden, einen Blick auf die Geschichte des Hauses an der Werre-Brücke zu werfen, dessen Ursprünge sich bis ins späte 16. Jahrhundert zurückverfolgen lassen. Eine Sichtung des im Landesarchiv Detmold befindlichen Nachlasses des früheren Schötmaraner Volksschulrektors August Müller (1886-1969) förderte aufschlussreiche Vorarbeiten zu einer Anfang der 1960er Jahre geplanten „Geschichte des Brüggenhauses” zutage – leider ist das Projekt über eine Materialsammlung nicht hinausgekommen.

Eng verbunden war das Brüggenhaus mit der einst benachbarten Meierei bzw. Domäne Heerse, die im Jahre 1036 als Vorwerk des Haupthofes Bexten erstmals in den Urkunden des Bistums Paderborn erwähnt wird. Zum Heerser Hof gehörten um das Jahr 1600 vier Kotten, von denen einer das später so genannte Brüggenhaus war, das als einzige Stätte bis heute erhalten geblieben ist. Den frühesten Hinweis auf das Anwesen stammt schon aus dem Jahre 1592; damals wurde urkundlich festgehalten, dass der dortige Kötter Reincke Scheper dem benachbarten Meier zu Heerse eine stattliche Summe geliehen habe, wofür dieser ihm und seiner Frau ein lebenslanges Wohnrecht in seinem Kotten einräume.

Im Jahre 1705 brannte das alte Haus ab, wurde aber umgehend wieder aufgebaut. Der neue Besitzer hatte für seine nun als Erbpachtstätte bezeichnete Stätte fortan jährlich 3 Rtlr an die Meierei abzuführen. Seit dieser Zeit lässt sich die Besitzerfolge lückenlos bis zum heutigen Tage aufstellen, was wiederum August Müller zu verdanken ist, der zu allen Pächtern genaue Stammtafeln angelegt hat. Dazu hat er nicht nur die Kirchenbücher, sondern auch die so genannten Eheprotokolle durchgesehen, die wertvolle Informationen über die jeweiligen Eheleute und ihr Vermögen enthalten. Interessant ist dabei, dass der einzelne Pächter auch immer nur als Brüggemann, also mit dem Namen der Stätte, bezeichnet wird.

Vermutlich schon seit Anfang des 17. Jahrhunderts wurde vom Brüggenhaus aus das Wegegeld für das Passieren der Heerser Brücke über die Werre (heute Teil der B 239) kassiert. Die Einkünfte waren aber sehr gering, wie immer wieder der Amtsverwaltung berichtet wurde, an die das Geld weitergereicht werden musste. Deshalb waren die „Brüggemänner” an anderen Einnahmequellen interessiert. Schon früh wurde mit der Schnapsbrennerei und dem Verkauf von Bier aus dem Schötmaraner Krug begonnen. Nach und nach entwickelte sich daraus ein einträglicher Gaststättenbetrieb mit „Vollkonzession”, der zunächst vor allem die zahlreichen „Mahlgäste” anlockte, die ihr Korn zur Heerser Mühle brachten; hinzu kam ein schwunghafter Handel mit Hökerwaren. Erst im späten 19. Jahrhundert entwickelte sich das Brüggenhaus zu einem bekannten Ausflugslokal, das mit einer Gartenwirtschaft, Kegelbahn und Kahnpartien auf der Werre aufwarten konnte.

Zu dieser Zeit wirkte bereits Gustav Haarmann (1857-1937) als Wirt im Brüggenhaus, der den Gebäudekomplex, dessen Vorderhaus erst 1875 neu erbaut worden war, im Herbst 1884 käuflich erworben hatte. Auf den stattlichen Ländereien, die jenseits der Werre lagen, wurde die bereits vorhandene Gemüsegärtnerei weitergeführt und vom Sohn Gustav (1896-1978) ausgebaut. Dieser trat 1932 die Nachfolge seines Vaters im weiterhin doppelgleisig geführten Geschäftsbetrieb an, allerdings standen ihm in der Gaststätte seine Frau Elfriede (1910-1990) und später seine Tochter Gerda (Jg. 1934) hilfreich zur Seite.

Ende der 1950er Jahre wurde die Gärtnerei aufgegeben und das Gelände an die Stadt Schötmar verkauft, die hier ein Freibad errichtete; damit waren auch die Tage des Biergartens gezählt. Gerda und Bernhard Hetland (1921-1990) konzentrierten sich in der nächsten Generation auf den eigentlichen Gaststättenbetrieb. Seit dem plötzlichen Tod ihres Mannes führt Gerda Hetland den Betrieb allein, über die Jahre hinweg allerdings mit Unterstützung ihres inzwischen ebenfalls verstorbenen neuen Lebensgefährten Rolf Rottschäfer (1940-2007) und ihres Sohnes Bernd (Jg. 1960). Seit Jahrzehnten ist Gerda Hetland nun die stadtbekannte Wirtin vom Brüggenhaus und das sicher auch über das Jubiläumsjahr hinaus!

Dr. Stefan Wiesekopsieker

Zuerst erschienen in: Evangelisch in Schötmar, EiS, Informationsblatt aus den ev.-ref. und ev.-luth. Kirchengemeinden, Nr. 179 (10/2009-12/2009), S. 6-7.

Teil 20

Zwischen dem 16. und 19. Oktober 1813 tobte in der Nähe von Leipzig unter Beteiligung von weit über 500.000 Soldaten verschiedener Nationalitäten die bis dahin größte Feldschlacht der Menschheit. Bekanntlich endete die Schlacht, die als Völkerschlacht bei Leipzig in die Geschichtsbücher eingehen sollte, mit einer empfindlichen Niederlage des französischen Kaisers Napoleon I. (1769-1821), die ihn zwang, sich mit seinen Truppen hinter den Rhein zurückzuziehen. Die österreichisch-preußisch-russische Koalition gewann dadurch die Oberhand im so genannten Befreiungskrieg, der Preußen und weitere Staaten alsbald von der ungeliebten französischen Fremdherrschaft befreite.

100 Jahre später, am 18. Oktober 1913, gedachte man des Sieges durch die Weihe des 91 m hohen und damit weithin sichtbaren Völkerschlachtdenkmals, das ab 1898 mit einem finanziellen Gesamtaufwand von sechs Millionen Goldmark auf dem ehemaligen Hauptkampfplatz errichtet worden war. Parallel dazu gab es im ganzen Deutschen Kaiserreich unzählige patriotische Umzüge und Feiern, bei deren Ausgestaltung die Kriegervereine, aber auch die Kirchen eine große Rolle spielten. Vielerorts fand so eine Mischung aus Volksfest, Kirchweih und Nationalfeiertag statt, begleitet von einer intensiven Berichterstattung der Presse, die historische Hintergrundinformationen lieferte, vor allem aber eine nationalistische Stimmung verbreitete.

In Schötmar, wo die zentrale Feier des Amtes begangen wurde, verteilten sich die Festivitäten über das gesamte Wochenende (18./19. Oktober). Am Sonnabendnachmittag marschierten alle Schulkinder zur „Walhalla”, wo sie bewirtet wurden. Im Anschluss daran hielt Pastor Wilhelm Hunecke (1860-1935) eine vaterlandstreue Ansprache, die Schüler und Schülerinnen sagten Gedichte auf, und man veranstaltete kleine Spiele. Bei Einbruch der Dunkelheit wurde ein weithin sichtbares Feuer entzündet, anschließend marschierte die Kinderschar zurück zum Marktplatz, wo das Spektakel sein Ende fand.

Am nächsten Tag begeisterte dann ein historischer Festumzug durch die reich geschmückten Straßen Schötmars die Menschen. Darüber berichtete der „Lippische Allgemeine Anzeiger” am 23. Oktober 1913 wie folgt: „Sonntag nachmittag gegen ½ 2 Uhr trafen die ersten Vereine auf dem Marktplatze ein. Kurz nach 2 Uhr wurde die Feier durch Gesangsvorträge eröffnet und der Gemeindevorsteher begrüßte mit kernigen Worten die Erschienenen. Seine Rede klang in ein Hoch auf den Kaiser, Fürst und Vaterland aus. Ein gut ausgeführter Parademarsch, an der Spitze die Veteranen, schloß diesen Teil. Hierauf zogen die Teilnehmer zum ‚Tivoli’, um den hierselbst harrenden, historischen Teil (Landwehr von 1813, Lützow’sche Reiter, 1813er Artillerie, Festwagen mit der Germania usw.) aufzunehmen, darauf begann unter Glockengeläut der Umzug durch die Straßen und der Aufmarsch nach ‚Walhalla’. Nach Aufstellung am Kriegerdenkmal begrüßte sodann Herr Fr. Niewald-Aspe mit einem poetischen Gruß die Versammelten, worauf Herr Pastor Hunecke auf die Bedeutung des Tages hinwies. Nachdem von den Versammelten gemeinschaftlich einige Lieder gesungen, wurde der Festaktus geschlossen. Um 9 Uhr begann im ‚Odeon’ der Festkommers. Bei heiteren und ernsten Liedern, Ansprachen und dergleichen blieben die zahlreich Versammelten lange vereint.”

An mehreren Punkten Schötmars, an denen der Umzug vorbeikam, hatte sich ein Fotograf postiert, um insbesondere die Teilnehmer in den historischen Kostümierungen im Bild festzuhalten. An der Einmündung der Aechternstraße auf die Schlossstraße ergab sich eine vortreffliche Gelegenheit, die Germania in ihrem Festwagen nebst Gefolge zu fotografieren. Die meisten Aufnahmen wurden später in Form von Postkarten verkauft und eigneten sich vorzüglich, um Verwandten und Freunden in der Ferne einen Gruß zu übersenden. Große Begeisterung riefen – wie eine Postkartenschreiberin mitteilt – Lina Essmann (1886-1976) als stolze Germania und der gut gebaute Schlachtermeister Nathan Cohen (1871-1924) in seiner Uniform auf dem Kutschbock hervor!

Dr. Stefan Wiesekopsieker

Zuerst erschienen in: Evangelisch in Schötmar, EiS, Informationsblatt aus den ev.-ref. und ev.-luth. Kirchengemeinden, Nr. 180 (19.12.2009-31.03.2010), S. 6-7.

Nachbemerkung

Im kleinen Rahmen wurde im Jahre 2006 in Schötmar der 775. Jahrestag seiner Ersterwähnung  begangen. Seinerzeit wurden mehrere kulturelle Veranstaltungen durchgeführt, die im Wesentlichen vom Bürgerverein Schötmar, der Evangelisch-reformierten Kirchengemeinde Schötmar und dem HVV getragen wurden.

Die Kirchengemeinde und der HVV boten zwischen Februar und November 2006 insgesamt neun Vortragsveranstaltungen zu verschiedenen Aspekten der Schötmaraner Geschichte an, denen allesamt ein gewaltiger Erfolg beschieden war; nicht selten wurden deutlich mehr als 120 Zuhörer gezählt! Zum Auftakt hielt Dr. Stefan Wiesekopsieker einen Vortrag, in dem er alte Ansichten Schötmars – zumeist handelte es sich um historische Ansichtskarten – präsentierte. Diese und andere wurden dann mit einem erläuternden Text ab März 2006 im Gemeindeblatt der evangelischen Kirchengemeinden Schötmars auf je einer Doppelseite (abermals) vorgestellt; auch diese Serie, die mit der 20. Folge Ende 2009, und damit nach fast vier Jahren, ihr Ende finden soll, erfreute sich großen Interesses.

Auf vielfachen Wunsch hat sich der HVV nun dazu entschlossen, alle Folgen in einem Heft zusammengefasst herauszugeben. Dazu wurden alle Texte vom Verfasser noch einmal durchgesehen und um Quellen- und Literaturhinweise ergänzt. Diese machen deutlich, dass es insbesondere Pfarrer Wilhelm Butterweck (1874-1943) sowie die Lehrer August Müller (1886-1969) und Kurt Wallbaum (1924-2007) sind, denen wir unser Wissen über Schötmars Vergangenheit zu verdanken haben. Mag auch manches inzwischen wissenschaftlich überholt sein, so werden die Erkenntnisse dieser drei herausragenden Heimatforscher doch stets die Grundlage aller weiteren Bemühungen um die Erforschung der Schötmaraner Geschichte bilden.

Das Heft können Interessenten zum Preis von 5 € über den örtlichen Buchhandel erwerben.

Die Auflage der Veröffentlichung, die das nunmehr 5. Heft der Reihe „Bad Salzufler Haus- und Hofgeschichten” darstellt, beträgt 1.000 Stück.

 

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